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Juli 21, 2021 um 8:51 am Uhr #16653PistotnikTeilnehmer
Nachtrag zur heftigen Schütte am Samstagabend in Wien: Die Station an der Universität für Bodenkultur (1.5 km südwestlich der Hohen Warte) war offenbar im Zentrum und bekam eine 3h-Summe von 126 mm ab:
Ein sekundäres Maximum gab es am südlichen Stadtrand mit 88 mm in 2h an der Station Blumental im 10. Bezirk (betrieben von der Stadt Wien). Beide genannten Spitzen sind anhand des zeitlichen Verlaufs, der Radardaten und auch der umliegenden Stationsmessungen plausibel.
Rein optisch ist die Sache so hereingebrochen, wie man es sich bei einer Temperatur von 22°C und einem Taupunkt von 21°C auch vorstellen würde – es wurde einfach zwei Stunden früher als gewohnt finster, die Wolken hingen fast bis zum Boden und dann setzten Wolkenbrüche und stroboskop-artige Blitze ein und hörten fast drei Stunden lang nicht mehr auf.
Da sich die Wolkenbrüche ähnlicher Größenordnung am Sonntag zwar im Wiener Umland entluden, aber nicht nochmals die Stadt betrafen, sind wir sicher noch mit einem blauen Auge davongekommen. Dennoch war es eine Weltuntergangsstimmung wie schon seit Jahren nicht mehr!
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Februar 17, 2020 um 11:38 am Uhr #14701PistotnikTeilnehmer
Danke für die schöne WB! „Auf der Suche nach dem Winter“ trifft es gut!
Ich kann hier leider keine Links oder Bilder der Stationsgrafiken einfügen (der Beitrag verschwindet dann einfach), aber der Warmluftschub der letzten Nacht hat auf den Berggipfeln des südöstlichen Alpenraumes alles bisher im Winter erlebte gesprengt. Auf der Koralpe (Grenze Kärnten/Steiermark, nicht weit von Slowenien) wurden gestern Nachtmittag 17°C auf knapp 2000m Seehöhe erreicht. Am Hochwechsel (Grenze Steiermark/Niederösterreich, je nach Sichtweise der östlichste prominente Alpengipfel) waren es heute Nacht um 01:10 UTC (!) sogar 19.8°C auf 1743m Seehöhe.
In die Täler wurde dieser Wärmeschub nicht vollständig kommuniziert – der markanteste Föhndurchbruch brachte es in Puchberg am Schneeberg (582m) am frühen Morgen „nur“ von -1°C auf +14°C. Außerhalb des Föhns war die Nacht wenigstens leicht frostig.
viele Grüße,
Georg
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Februar 2, 2019 um 10:53 pm Uhr #13304PistotnikTeilnehmer
Der 12z-Lauf des WRF ist wieder zur Vernunft zurückgekehrt und lässt den zweiten Tiefdruckkern morgen Richtung Polen ziehen, womit auch für Ostsachsen und Ostbrandenburg allenfalls minimale Plusgrade und eher Schneeregen als Regen zu erwarten sind…
Die Gegensätze an der Luftmassengrenze sind jedenfalls enorm: Während heute in Wien der Frühling vorbeigeschaut hat mit 15°C Temperatur und 7°C Taupunkt, bin ich sieben Stunden später bei 0°C, dichtem Schneefall und 80 cm Neuschnee in Sillian (Grenze zu Italien) angekommen. Das ist der letzte Ort, der heute von Osten kommend noch erreichbar war – alle Straßen- und Bahnverbindungen nach Südtirol (Pustertal) und nach Salzburg (Felbertauern) sind wegen Schneebruch, hängengebliebener Fahrzeuge oder Lawinengefahr gesperrt.
Innerhalb der Warmluft sind gewaltige Stauniederschläge aufgetreten (binnen 24 Stunden z.B. 170 mm am Loibl in Kärnten und sogar 293 mm in San Francesco in Friaul), allerdings bei zwischendurch bis nahe 2000m Höhe steigender Schneefallgrenze. Weiter westlich waren die Niederschlagsmengen zwar geringer, aber dafür schneite es dank Entzug der Schmelzwärme bis in die Täler. Wie so oft bei Südstau bildete sich dadurch eine mächtige isotherme Schicht von den Talböden bis knapp 2000m Seehöhe hinauf, in der die Temperatur fast zehntelgenau an der 0°C-Marke klebte; entsprechend schwer und nass ist der gefallene Schnee. Hier als Beispiel Stationsgrafiken aus meinem Nachbarort Lienz (659m) und von dessen Hausberg, dem Zettersfeld (1903m):
Die meisten Skigebiete waren heute logischerweise zu, aber ab morgen fängt der Spaß an. 🙂
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Oktober 31, 2018 um 9:09 am Uhr #12970PistotnikTeilnehmer
Neben dem Hochwasser hat die Kaltfront am Montagabend in Südtirol und Kärnten auch schier unglaubliche Sturmschäden hinterlassen. Nachdem viele Gebiete noch immer nur schwer oder gar nicht erreichbar sind und die Telefon- und Stromversorgung zusammengebrochen ist, wird das ganze Ausmaß der Unwetterkatastrophe erst langsam klar. Die Einsatzkräfte in Südtirol berichten, sie hätten noch nie in ihrer Geschichte so verbreitete und extreme Sturmschäden erlebt. Hier einige vorläufige Bilder des Landesfeuerwehrverbandes Südtirol:
Ebenfalls noch in das Einzugsgebiet dieses Tiefs fällt das Schneechaos in Südfrankreich und Nordspanien, wo vorgestern und gestern ganze Regionen abgeschnitten, tausende Menschen wegen Straßensperren gestrandet und zehntausende ohne Stromversorgung waren.
An dieses Ereignis wird man sich in vielen Teilen Europas noch lange erinnern!
- Diese Antwort wurde geändert vor 6 Jahren, 1 Monat von Pistotnik.
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Oktober 30, 2018 um 12:23 pm Uhr #12950PistotnikTeilnehmer
30- bis 100-jährliches Hochwasser an Kärntner Flüssen:
Gail (Quelle: Flugeinsatzstelle Klagenfurt):
Drau (Quelle: ORF / privat):
In Italien gab es gestern mindestens 9 Todesopfer durch die Hochwässer und die gestrigen Gewitterstürme, einige Menschen werden noch vermisst… 🙁
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Oktober 29, 2018 um 11:44 pm Uhr #12946PistotnikTeilnehmer
Hallo Oscar,
Danke für die schöne Aufbereitung des weiteren Werdegangs dieses außergewöhnlichen Tiefdruckgebietes! Der Vormarsch der Warmluft ist in der Tat beeindruckend, vor allem wenn man die dafür eigentlich denkbar ungünstige Jahres- und Tageszeit berücksichtigt. Vor kurzem, um 22 UTC, ist sie in Prag durchgebrochen, wo die Temperatur quer über die Stadt von 7 auf 17°C stieg:
Temperaturen Tschechien 22 UTC
Auch in Lichtenhain am Erzgebirge ist schon eine Insel mit 16°C erkennbar. In den nächsten Stunden wird die Warmluft das ganze Erzgebirgsvorland erfassen. Wie du schon geschrieben hast, halte auch ich dabei dort Windspitzen zwischen 100 und 110 km/h für wahrscheinlich, da das Windmaximum aus 850 hPa als Böen bis zum Boden durchschlagen dürfte. In Leipzig würde ich den Durchbruch der Warmluft (in etwas abgeschwächter Form) um etwa 04 UTC annehmen, viel Spaß mit diesem Ereignis! 🙂
In Österreich ist der Wärmeschub nun abgeschlossen. Bis zum späten Abend sind die Temperaturen im nördlichen Alpenvorland verbreitet auf 20 bis knapp 24°C gestiegen. Bis etwa 2006 hätte ich solche Temperaturen in einer Oktobernacht für schier unmöglich gehalten, aber seither hat der beschleunigte Klimawandel ja schon einige neue Maßstäbe gesetzt.
An der Vorderkante des Niederschlagsbandes, das nun die Alpen überquert – es handelt sich dabei um die (Höhen-)Kaltfront aus Südwesten – treten quer über Österreich derzeit heftige Fallwinde auf und sorgen neben einem beginnenden Temperaturrückgang auch für umgestürzte Bäume, Straßensperren und Stromausfälle. So wie gestern bei dem beschriebenen extremen lokalen Sturm in Ferlach handelt es sich wieder um „Dimmerföhn“, also einer Vermischung von Föhn und Fallwinden durch Verdunstungskälte fallenden Niederschlages. Heute tritt dieses Phänomen geradezu flächenhaft auf.
Interessant ist dabei auch die Transformation der Kaltfront. Die ursprüngliche Kaltfront aus Südwesten, die etwa für die schweren Gewitterstürme in Italien verantwortlich war (leider auch mit bislang mnindestens 7 Todesopfern), übersteigt den Alpenbogen nur noch in der Höhe, verstärkt dabei mittels „Dimmerföhn“ die vertikale Durchmischung und erleichtert morgen (Dienstag) tagsüber das Vordringen sehr warmer 2m-Temperaturen bis tief nach Ostdeutschland und Polen. Sie zieht gewissermaßen also in maskierte Form durch, lediglich der Taupunkt wird dabei deutlich sinken. Erst morgen tagsüber wird sich durch die starken Temperaturgegensätze eine neue Kaltfront ausbilden, indem sich die über dem Rest Deutschlands liegengebliebene Kaltluftmasse in Form eines flachen Keils ostwärts in Bewegung setzt.
viele Grüße und gute Nacht,
Georg
- Diese Antwort wurde geändert vor 6 Jahren, 1 Monat von Pistotnik.
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Oktober 28, 2018 um 2:28 pm Uhr #12912PistotnikTeilnehmer
Kleine Ergänzung: Derzeit dürften allfällige Niederschläge in etwas höheren Lagen von Oberbayern bis Böhmen, also v.a. im Bayerwald, sogar als Eiskörner fallen. Außerdem können der vorhergegangene nasse Schneefall und anschließende Reifbildung in der gesättigten Luft zu Schneebruch führen. Ziemlich erstaunliche Temperaturschichtung für Oktober:
An der Alpensüdseite haben sich die Gewitterstraßen mit den stärksten Regenfällen nun etwas weiter Richtung Westen nach Venetien verlagert. Dort ist in den letzten 24 Stunden am meisten Niederschlag in Agordo mit 261 mm und in Sappada mit 258 mm gefallen. Aktuelle Daten hier:
In Kärnten wird unterdessen die Evakuierung von einigen tausend Menschen vorbereitet. Die Gail nähert sich der 10-jährlichen Hochwassermarke und sieht derzeit so aus:
(Quelle: Florian Lederer / ORF)Die anderen Flüsse reagieren dank der günstigen Vorgeschichte erst langsam und sind noch im „grünen Bereich“. Aber wie schon erwähnt, mit der zweite Starkregenwelle von Montag auf Dienstag werden alle Reserven, auch die durch Ablassen der Stauseen künstlich geschaffenen, bald zu Ende gehen. Zum Glück haben alle ihre Lektionen aus dem letzten extremen Hochwasser im Herbst 2012 gelernt. Die mehrtägige Vorbereitungszeit wird jetzt hoffentlich dabei helfen, dass alles geordnet abläuft.
Und nicht zuletzt noch zur Temperatur: An einzelnen Stationen in der Pannonischen Tiefebene (Bosnien-Herzegovina, Serbien, Ungarn) wurden 25°C erreicht. Morgen sollte es noch ein paar Grad höher hinaufgehen. Ich bin gespannt, ob es irgendwo für einen Hitzetag reicht. In der rumänischen Walachei wurden heute schon bis zu 29°C erreicht.
viele Grüße,
Georg -
Oktober 28, 2018 um 11:40 am Uhr #12910PistotnikTeilnehmer
Schönen Sonntag allerseits!
Nachdem das aktuelle Tiefdruckgebiet doch alle Arten von Wetterextremen im (erweiterten) Alpenraum bringt, die man in diesem Ausmaß und vor allem in dieser gleichzeitigen Vielzahl nur selten erlebt, bringe ich hier eine Zusammenfassung der bisherigen und erwarteten weiteren Ereignisse (ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Ergänzungen werden gerne entgegengenommen!).
(1) Temperaturgegensätze:
Bemerkenswert ist vor allem die Schärfe der Frontalzone, die seit gestern (Samstag) nochmals erheblich zugenommen hat, unterstützt durch die Barrierewirkung der Alpen und durch effektive Niederschlagsabkühlung an ihrer Nordseite. So sanken die Temperaturen in der Schweiz, in Süddeutschland und Westösterreich bei Regen und späterem Schneefall in der Nacht auf heute verbreitet bis gegen 0°C, während es in Kroatien und Bosnien-Herzegowina mancherorts Tropennächte sogar im Landesinneren gab (z.B. Tmin von 21°C in Sanski Most und Banja Luka). An der Vorderseite des starken Tiefs wird mit einem „Low-Level Jet“ (rund 25 m/s = 90 km/h Mittelwind in 850 hPa) extrem warme und auch feuchte Adrialuft östlich der Alpen vorbei in die Pannonische Tiefebene geführt. Über Nacht konnte sich wieder eine dünne Kaltlufthaut südwärts ausbreiten. Unterstützt durch Sonneneinstrahlung und turbulente Erosion der Kaltluft unter dem Low-Level Jet, ist die Warmluft seit heute Früh wieder auf dem Vormarsch, doch gestaltet sich dieser zäher als die Vorhersagemodelle (vor allem die grobmaschigen) vorsehen. Aktuell (10 UTC) erstreckt sich die scharfe Luftmassengrenze mit mehr als 10K Temperaturunterschied auf wenigen Zehnerkilometern entlang der slowenisch-kroatischen Grenze und weiter quer über Ungarn:
2m Temperaturen um 11 UTC
(Quelle: Kachelmannwetter)Sehr schön wird die Warmfront auch durch die Radiosonden-Aufstiege beidseits der Alpen von 00 UTC charakterisiert. Beispiele:
München: gesättigte Kaltluft unterhalb von 3 km Höhe, aber massive Warmluftzufuhr (man beachte die starke Rechtsdrehung des Windes mit steigender Höhe)
Zagreb: der starke, warme Low-Level Jet reicht fast bis zum Boden herabSpannend wird die Frage, wie rasch sich die Warmluft östlich der Alpen heute tagsüber bis zum Boden durchsetzt, auch für die Wiener Turnierwertung. Aktuell habe ich große Zweifel, dass der Warmluftdurchbruch schon heute erfolgt – wahrscheinlich wird das erst morgen (Montag) der Fall sein. Die Spieler mit niedrigem Tmax – interessanterweise sind da auch viele MOSse darunter, Kompliment an die Entwickler! – dürften hier also abräumen.
Östlich der Alpen, speziell in Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Ungarn, werden in den nächsten Tagen wohl reihenweise Temperraturrekorde für diese Jahreszeit fallen mit erwarteten Tropennächten und Tageshöchstwerten bis nahe 30°C. Noch unklar ist, wie weit sich der Rand dieser enormen Warmluftblase am Montag auch noch nach Österreich, Tschechien oder sogar Bayern, Ostdeutschland und Polen vorarbeiten kann.
(2) Ergiebige Stauniederschläge:
Extreme Stauniederschläge haben gestern (Samstag) an der Alpensüdseite eingesetzt, vor allem in den Karnischen Alpen, wo am Abend und über Nacht auch stundenlange Gewitterstraßen eingelagert waren. Die Station des Hydrographischen Dienstes Kärnten am Plöckenpass an der Grenze zu Italien hat vom Niederschlagsbeginn gestern Früh bis heute Früh ca. 300 mm Regen in 24 Stunden gemessen (den genauen Wert kann ich morgen nachliefern, wenn ich im Büro auf die Rohdaten zugreifen kann). Inzwischen (11:30 UTC) hält sie schon bei 343 mm Regen seit Niederschlagsbeginn (die Grafik wird laufend aktualisiert und verfällt daher allmählich):
Die Straße auf den Plöckenpass ist, so wie mehrere andere Straßen in der Umgebung, längst wegen Überflutungen und Erdrutschen gesperrt. Da der erste Tag dieses Südstau-Ereignisses bereits wesentlich mehr Niederschlag gebracht hat als erwartet und es noch zwei Tage pausenlos weiterregnen wird, scheinen die Vorbereitungen in Kärnten, wo sich die Einsatzkräfte und die Bevölkerung gegen 30- bis 100-jährliche Hochwasserwellen an den größeren Flüssen wappnen, nicht übertrieben. Die Vorgeschichte war recht trocken und der Boden konnte die ersten 50-100 mm relativ problemlos puffern, aber inzwischen rinnt fast alles sofort oberflächlich ab, und die zweite Starkregenwelle von morgen (Montag) Mittag bis Dienstagfrüh wird extrem kritisch werden.
Die anderen Stationen, die das klimatologische Niederschlagsmaximum im Luv der Karnischen und Julischen Alpen normalerweise auch abdecken, lagen bisher offenbar außerhalb der Zugstraßen der stärksten Gewitter und haben weniger Niederschlag gemessen. Vogel in Slowenien, normalerweise oft an der Spitze, hat bis heute Früh „nur“ 104 mm abbekommen. In Italien ist der höchste Wert, den ich bisher gefunden habe, 203 mm bis heute Früh in Soffranco (Region Belluno). Ich denke allerdings, dass es in Friaul einige Stationen mit ähnlichen oder sogar noch höheren Werten als am Plöckenpass geben könnte, deren Daten allerdings nicht frei zugänglich sind.
Falls jemand die Situation in Kärnten, Österreichs südlichstem Bundesland, überwachen möchte, sind hier die relevanten Karten des Hydrografischen Dienstes:
72-stündige Niederschlagssummen
Abflussmengen der Flüsse und Bäche (Farbcodierung nach statistischen Wiederkehrzeiten)(3) Schneefall bis in tiefe Lagen:
Durch die Niederschlagsabkühlung gingen die recht ergiebigen Niederschläge an der Frontalzone nördlich der Alpen in der Schweiz, Westösterreich und Süddeutschland zunehmend in Schnee bis in tiefe Lagen über. Vor allem in Schwaben und im Süden Baden-Württembergs bildete sich vielerorts eine mehrere Zentimeter dicke Nassschneedecke. Noch ergiebigere Schneefälle, wenn auch nicht ganz bis in die tiefen Täler herab, gab es in der Schweiz (Schneehöhen heute Früh). Gemäß dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung, das ein erstes Lawinenbulletin herausgab, sind in hochalpinen Lagen im Berninagebiet bis gestern (Samstag) Abend bis zu 60 cm Neuschnee gefallen, gefolgt von bis zu 120 cm weiterem erwartetem Neuschnee bis heute Abend.
In tiefen Lagen taut die Schneedecke unter dem Vormarsch der Warmluft nun wieder ab.(4) Ein extremes lokales Sturmereignis:
Kurz vor 03 UTC heute Morgen wurden die Feuerwehren rund um Ferlach (Kärnten, nahe der slowenischen Grenze) alarmiert. Ein plötzlicher Sturm hatte unzählige Bäume geknickt, Stromleitungen niedergerissen und die Dächer von 15 Häusern schwer beschädigt:
(Quelle beider Bilder: Bezirksfeuerwehrkommando Klagenfurt-Land)Was war passiert? Da es in Ferlach gleichzeitig extrem warm wurde mit einer Temperaturspitze von 19°C, lag ein plötzlicher Föhndurchbruch nahe. Das Hintergrund-Windfeld war mit ca. 20 m/s (70 km/h) in 850 hPa allerdings ziemlich unauffällig und daher kaum alleine für solche extremen Böen geeignet.
Die Radardaten zeigten kurz vorher ein starkes Echo knapp jenseits der slowenischen Grenze, das um 02:40 UTC sogar ein paar Blitze hervorbrachte. Die Reste dieser Konvektionszelle haben anschließend den Gebirgskamm der Karawanken, der den Grenzverlauf bildet, überstiegen, wobei die Verdunstungskälte des in die Föhnluft fallenden Restniederschlages diese extremen Fallwinde erzeugt haben dürfte.
Das Phänomen, dass die Böigkeit von Südföhn deutlich erhöht wird, wenn Reste von Konvektion oder höheren Wolken mit fallendem Niederschlag über den Gebirgszug hinweg auf die Leeseite verfrachtet werden, ist vor allem aus der Schweiz, aber auch aus Innsbruck gut bekannt und wird dort „Dimmerföhn“ genannt. Weiter östlich in Österreich, wo Föhn meist unter antizyklonaleren Bedingungen und daher mit weniger Niederschlag oder gar Konvektion einhergeht, ist es hingegen ziemlich ungewöhnlich.
Die Station in Ferlach maß bei diesem Ereignis eine Windspitze von 129 km/h. Im Zentrum des Fallwindes dürften die Spitzen aber noch deutlich höher gewesen sein. Dass ein halber Dachstuhl von einem Wohnhaus gerissen wird, passiert typischerweise erst im Bereich von 180 bis 220 km/h. Ironischerweise hatte ausgerechnet das Gebiet um Ferlach erst im Dezember 2017 einen ähnlich schweren Föhnorkan erlebt, obwohl es eigentlich noch deutlich auf der Luvseite des Alpenhauptkamms liegt und daher bei Südwind eher Stau als Föhn abbekommt. Erfahrungsgemäß greift der „Karawankenföhn“ vor allem dann durch, wenn der Höhenwind nicht nur stark genug ist, sondern auch genug Westkomponente hat.(5) Organisierte Gewitter:
Die Luft, die vom Mittelmeerraum Richtung Alpensüdseite und Pannonische Tiefebene geführt wird, ist nicht nur extrem warm, sondern auch ausgesprochen feucht mit Taupunkten bis nahe 20°C an der noch warmen Adria und vorhergesagten Taupunkten bis 15°C sogar im Landesinneren. Unter dem Einfluss der starken Höhenwinde könnten sich zu ungewöhnlich später Jahreszeit nochmals gut organisierte und heftige Gewitter bilden. Bereits für heute Nachmittag und Abend ging ich von der Möglichkeit einzelner Superzellen im östlichen Alpenvorland aus (sagt jedenfalls meine ESTOFEX-Vorhersage). Da sich der Vormarsch der Warmluft langsamer gestaltet als angenommen (siehe oben), habe ich inzwischen leichte Zweifel an diesem Szenario. Es folgen allerdings noch zwei weitere Tage mit Chancen. 😉
Die höchste Unwettergefahr herrscht sicher morgen Abend und Nacht im nördlichen Adriaraum, wenn die Kaltfront des Tiefdruckgebietes nordostwärts zieht und gleichzeitig von einem außerordentlich starken Vorticity-Maximum in der Höhe überlaufen wird. Unmittelbar vor der Front nimmt das Windfeld noch einmal drastisch auf 35-40 m/s (110-140 km/h) in 850 hPa zu. Die Lokalmodelle zeigen ein furchterregendes Szenario mit einer perfekt ausgebildeten Gewitterlinie, die ausgehend von den Apenninen über die Poebene und die nördliche Adria nach Slowenien und Kroatien ziehen soll. Sollte das auch nur annähernd so kommen, dann wären speziell in den küstennahen Gebieten beim Durchgang der Gewitterlinie verbreitet Orkanböen zu erwarten. Falls es durch die enorme Windzunahme unmittelbar vor der Kaltfront schon hinter den ersten Voralpen-Gebirgszügen Föhneffekte gibt, könnte so etwas Ähnliches passieren wie schon heute Früh in Ferlach und das Gebiet mit der Gefahr von Orkanböen auch in die Südalpen nach Friaul, Kärnten und Slowenien hineinreichen. Reste der Gewitterlinie können in der Nacht auf Dienstag jedenfalls noch Teile Österreichs mitnehmen und bis weit nach Ungarn ziehen.
Am Dienstag soll schließlich hinter der Kaltfront noch ein scharfer Kurzwellentrog aus Südwesten nachfolgen, der mein Chaserherz schon jetzt höher schlagen lässt. 🙂 Der Wind wird immer noch aus Süden wehen und die Luft ist zwar etwas kühler und trockener als vor der Kaltfront am Montag, zusammen mit der massiven Hebung und der deutlichen Abkühlung in höheren Luftschichten sollte es aber für ein schönes Finale der Gewittersaison mit der Aussicht auf Superzellen im Südosten Österreichs und Westen Ungarns geben.Vier Tage Vollwetter vom Feinsten sind das jedenfalls im Alpenraum!
viele Grüße,
Georg -
September 25, 2018 um 11:04 am Uhr #12786PistotnikTeilnehmer
Hallo Nik!
Ja, die Warmluft im Warmsektor hat sich in Österreich doch weniger durchgesetzt als erwartet, und damit war der Sturm dann auch eher harmlos. Auch die vielen vorlaufenden (und vom Boden entkoppelten) Schauer und Gewitter, die sich durch die starke synoptische Hebung gebildet haben, haben der folgenden Linie ihre Schärfe genommen und sie zerbröseln lassen. Die einzige Orkanböe in besiedeltem Gebiet in Österreich wurde in Reichenau an der Rax gemessen. Sonst war es überall ein ganz gewöhnlicher Herbststurm.
In Deutschland gab es dort, wo sich an der Gewitterlinie bogenförmige Echos ausbildeten, einige Schneisen, in denen die Schäden auf Windspitzen zwischen 150 und 180 km/h schließen lassen, stellenweise wahrscheinlich sogar darüber. Zum Glück waren außer Aschaffenburg und Würzburg keine Städte oder gar Ballungsräume von diesen Spitzen betroffen.
Ich habe am Sonntag noch überlegt, nach Würzburg, Nürnberg oder Prag zu fahren, um diesen Gewittersturm zu erleben. Rückblickend wäre das natürlich spannender gewesen. Wir haben letztlich die „Schmalspur-Variante“ gewählt und sind auf die Leiser Berge nördlich von Wien gefahren. Die Stimmung war zunächst großartig mit dem Wetterleuchten der aus Tschechien näherkommenden Gewitterlinie und den kleinen, rundherum aufpoppenden Gewittern im Mondlicht. Die Kaltfront selber wäre eigentlich reichlich unspektakulär gewesen, wenn sie nicht einen kurzen „Heatburst“ als Höhepunkt gebracht hätte, indem von den ersten Böen noch die bizarr warme Höhenluft heruntergemischt wurde.
Die Temperaturspitze war leider zu kurz, als dass sie von der benachbarten Station am Oberleiser Berg (einem Nachbarhügel) aufgelöst hätte werden können. Ein paar andere Stationen haben aber ein ähnliches Phänomen wiedergeben können (Diagramme verfallen innerhalb einer Woche):
Buchberg (im Wienerwald, Hügel auf 467m)
Brunn am Gebirge (südlicher Stadtrand Wiens, Hanglage auf 290m)
Alle anderen Stationen im Wiener Stadtgebiet und im sonstigen Tiefland blieben unter der Inversion. Für ein Durchbrechen der richtig warmen Luft (20°C auf der Hohen Wand auf knapp 1000m Höhe, 18° auf der Rax auf 1550m Höhe am späten Abend) waren die Kaltluftseen aber um einige hundert Höhenmeter zu mächtig.
Insgesamt war das letzte Sommergewitter an der Kaltfront von „Elena“ am Freitag aber doch um einiges spannender als das erste (und wahrscheinlich einzige) Herbstgewitter bei „Fabienne“… 😉
viele Grüße,
Georg
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September 23, 2018 um 2:13 pm Uhr #12782PistotnikTeilnehmer
So wenig Diskussion an einem so spannenden Wochenende?
Danke an Michael für die spannende WB, an Ralf für die interessanten Ergänzungen und an Heiko für den schönen Satz: „Da saßen Leute in der gefühlt über 30 Grad heißen U-Bahn in Winterklamotten, und als man auf die Straße in den Herbststurm trat, begegnete man Zeitgenossen, die vom „Outfit“ her bloß die Frage aufwarfen, wo sie Strandtuch und Surfbrett gelassen haben.“ – Das ist einer der angenehmen Nebeneffekte unseres Berufs, dass wir unsere Kleidung nach dem tatsächlichen Wetter und nicht nach dem Kalender richten können. 😉
In diesen Augenblicken braut sich ein Herbststurm zusammen, der in die meteorologischen Geschichtsbücher eingehen könnte. Es ist, als wäre ein winterliches Sturmtief in eine sommerliche Luftmasse hineinverpflanzt worden. An der Gewitterlinie, die sich entlang der Kaltfront derzeit zusammenbraut, rechne ich in den nächsten Stunden etwa entlang eines Streifens Mannheim – Nürnberg – Pilsen – Ostrau verbreitet mit orkanartigen Böen oder Orkanböen. Mich würden stellenweise sogar Windspitzen um 150 km/h nicht wundern (bzw. entsprechende Schäden, denn wenn genau diese Spitzen auch tatsächlich gemessen werden, wäre es doch ein recht großer und glücklicher Zufall). Ich denke, das könnte einer der heftigsten, schlimmsten oder perfektesten (je nach Sichtweise) Herbststürme werden, den wir je am Kontinent erlebt haben. Aus meiner Erinnerung fällt mir nur „Quimburga II“ im November 2004 ein, die an das heranreicht, was man auf den heutigen Vorhersagekarten sieht. (Damals gab es natürlich noch keine so feinen, konvektionsauflösenden Modelle, daher waren die Vorhersagen eine noch wesentlich größere Herausforderung als heute.)
Wunderschöne Soundings von 12 UTC:
Vor der Warmfront: Meiningen
Direkt an der Frontlinie: Idar-Oberstein (fast gesättigte Warmluft unter extremer vertikaler Windscherung – wenn sich in diesem Regime Gewitter bilden, dann kann es auch richtig starke Tornados geben!)
Tiefer im Warmsektor: Stuttgart (bodennahe Abtrockung und weitere Erwärmung infolge von Durchmischung ->besonders hohe Sturmgefahr an der Kaltfront)
Für die Südstädte wird die „Action“ leider erst nach 18 UTC kommen, sodass sich lediglich die Böen (sowohl in Innsbruck und Wien halte ich 60 kt oder mehr für denkbar, auch ohne Gewitter in Form von Westföhn), aber nicht mehr die kurzfristige Temperaturspitze in der Turnierwertung auswirken wird. Sollte der Föhn in Wien genauso gewaltig durchschlagen wie in der legendären „Kyrill“-Nacht, dann werden wir gegen Mitternacht, unmittelbar vor der Kaltfront, 30°C haben. 😉
Leipzig wird von der Warmluftzunge offenbar knapper als erwartet, aber doch verpasst. Das Erzgebirgsvorland dürfte gerade noch hineinkommen und könnte dann auch noch entsprechend schwere Gewitter abbekommen.
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Juli 28, 2018 um 9:50 am Uhr #12642PistotnikTeilnehmer
Test: funktioniert
(Beitrag kann ignoriert werden) -
Februar 17, 2020 um 10:10 am Uhr #14697PistotnikTeilnehmer
Tolle Idee, ihr Nappel! 🙂
Danke für das Email mit der Einladung, sonst hätte ich es vielleicht gar nicht rechtzeitig gesehen, so unregelmäßig wie ich hier zugegen bin. Ich gebe bis Mitte März noch Bescheid, aber wahrscheinlich lässt sich ein Berlin-Besuch für mich einrichten. Wird sicher ein Riesenspaß!
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