Letzte Wetterbesprechung im meteorologischen Winter 2021/2022

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    • #17395
      Heiko
      Moderator

      Hallo zusammen,

      kurzfristig hat es sich ergeben, dass ich die Wetterbesprechung für das letzte Februarwochenende 2022 und damit auch zum Ausklang des meteorologischen Winters 2021/2022 schreibe.

      So richtig winterlich mit Schnee und Eis war diese Jahreszeit in Berlin diesmal selten. Gucken wir uns mal – aus der Sicht vom heutigen Donnerstag – an, was das Wetter am Wochenende macht. Wie immer freue ich mich auf Eure Ergänzungen!

      Die Ausgangslage ist auf der Bodenkarte des DWD in Zusammenarbeit mit der Berliner Wetterkarte dargestellt. Tief BIBI (TINA war nicht aufzufinden) liegt mit zwei Kernen über Südskandinavien (I) bzw. Lappland (II). Eine laut dieser Grafik von den Tiefdruckkernen abgekoppelte Kaltfront erreichte heute (Donnerstag) Abend Berlin mit auffrischendem Wind nach 10,0°C Höchsttemperatur in Dahlem (immerhin Rückgang von 9,6°C um 21.11 Uhr auf 6,9°C um 21.14 Uhr; dazu Luftdruckanstieg von 1003,7 hPa zum 20z-Obs auf 1006,3 hPa zum 21z-Obs) und brachte in Nord- und Westdeutschland sogar ein paar Gewitter (abends das nächste von Berlin aus über der Prignitz in Nordwestbrandenburg) sowie Sturmböen (22,4 m/s in Dahlem). Sie wird morgen (Freitag) Mittag von Nordost- über Ostmitteleuropa bis zum nördlichen Balkan erwartet. Zwei benannte antizyklonale Gebilde sind außerdem eingezeichnet, nämlich das Hoch JANNIS über Russland und das Hoch KAI als Ableger des Azorenhochs (besser gesagt: der schmalen Hochdruckzone, die vom zentralen Nordatlantik über die Azoren bis nach Westeuropa reicht und sich als Keil bis über die Alpen hinaus zeigt). Einen kräftigen Wirbel mit unter 950 hPa südöstlich der Südspitze Grönlands und südwestlich von Island finde ich außerdem erwähnenswert.

      Die Karte in 500 hPa für Freitag, 12z, präsentiert die Grundlage für eine Art vorgezogenes Aprilwetter: In knapp 5,5 km Höhe werden mit einem Kurzwellentrog auf der Rückseite von BIBI und ihrer Kaltfront die niedrigsten Werte des Geopotentials über Deutschland über dem Norden des Landes (Ausnahme ist das nördliche Schleswig-Holstein) erwartet. Auf der westlichen Seite der Grafik sind aber sowohl in der Höhe als auch am Boden schon deutliche antizyklonal gekrümmte Isolinien zu sehen, die am Wochenende unser Wetter bestimmen werden.

      Somit zeigt sich in der – wie die vorher gewählte Darstellung mit der Berechnung von GFS – für Sonnabend Mittag prognostizierten Höhenkarte im Mitteleuropaausschnitt ein Keil, der über Westfrankreich seinen Ausgangspunkt bzw. sein Ausgangsgebiet hat und dessen Achse etwa über die Niederlande und Dänemark weiter nach Nordnordosten verläuft. Berlin liegt somit unter einer nordnordöstlichen Höhenströmung. Die gerne von mir als Beifang bezeichneten Isobaren weisen grob die Westhälfte Deutschlands als voraussichtliches Zentrum des Bodenhochs, das wohl als KAI bezeichnet werden dürfte, aus. Das Barometer kratzt an der 1035-hPa-Marke. Der Trog ist nicht weit weg, und so stellt sich die Frage, ob und inwiefern die höhenkalte Luft im Osten des Kartenausschnittes Einfluss auf das Wettergeschehen in Berlin hat. Besonders mild wird es schon mal nicht, und neben längerem Sonnenschein kann man wohl das eine oder andere Achtel Wolken erwarten. Aber wieviel, und was bedeutet das für die Sonnenscheindauer? Reicht es sogar für Schauer, oder ist mit von Nordwest auf Nordost drehendem Wind eher die trockene Variante wahrscheinlich? Immerhin scheint das Tippen der Windrichtung nicht ganz so sehr in Richtung einer Lotterie zu gehen.

      Kurz noch ein Blick auf die 700-hPa-Feuchte für Sonnabend, 12z, die sowohl die Spuren des vorangegangenen Tiefdruckwetters im Südosten, aber auch einige Feuchtefelder im Nordwesten und dazwischen den trockenen Sektor von der französischen Mittelmeerküste über das Hochdruckzentrum (hier sogar die 1035 hPa sichtbar) bis zur Ostsee zwischen Schweden und dem Baltikum zeigt.

      Die Bodenkarte für Sonnabend Mittag hat neben dem Hoch zwei Fronten parat: Eine Kaltfront aus Nordosten soll irgendwo im deutsch-polnischen Grenzgebiet nahe des Stettiner Haffs enden; eine Warmfront zieht sich aus nördlichen Richtungen bis zur Westküste Norwegens. Letztere dürfte mit dem erwähnten Feuchtefeld, das sich in 700 hPa über der Nordsee zeigt, in Verbindung stehen. Gleiches gilt übrigens für die etwa strömungsparallele Girlande, die sich als nördlich der Britischen Inseln verlaufende Luftmassengrenze gut mit dem grauen Fleck an der Nordwestecke der 700er-Karte in Einklang bringen lässt.

      Am Sonntag soll das Hoch unter Verstärkung auf über 1040 hPa nach Ostnordosten gezogen sein, so dass sich Berlin in einer sich aufbauenden südlichen Strömung befindet. Das heißt zwar, es gibt keinen oder nur einen unwesentlichen Temperaturanstieg im Vergleich zum Vortag nach frostiger Nacht; abgesehen von der grundsätzlichen Möglichkeit von Nebel sieht das Programm aber mit „sonnig und niederschlagsfrei“ nach „Langeweile“ beim Tippen aus.

      Blicken wir mit der 500-hPa-Karte noch auf Montag, 06z, und somit den Schluss des Turnierwochenendes. In einer relativen Sauklaue geschriebenes Omega wäre eine Beschreibung dessen, was der schiefe Keil von Portugal über Benelux und das Baltikum bis nach Nordwestrussland einerseits und der nordatlantische Langwellentrog sowie der Trog von Osteuropa bis zum Mittelmeer andererseits grafisch fabrizieren.

      In letzterem (dem Trog, nicht dem Mittelmeer) ist ein Kaltlufttropfen zu finden, der über der Slowakei und Ungarn seinen Kern hat und somit besonders für die Wiener Tipper interessant erscheint, so dass sich ein Zoom auf den Mitteleuropaausschnitt lohnt.

      Ich hatte es vor ein paar Tagen mal angedeutet, dass GFS zum Monatswechsel eine deutlich stärkere Tendenz dazu zeigte, dass sich hinter dem (Zwischen-) Hoch eine kalte Luftmasse nach Mitteleuropa bewegen könnte (aus Westen bis Nordwesten), als es EZ tat. Nun aber halte ich es auch für möglich, dass nach dem für unser Turnierwochenende relevanten Hoch zum Monatswechsel ein Trog über Skandinavien nach Südosten schrammt und danach ein weiteres Hoch folgt. Weitere Kaltlufttropfen würden darüber hinaus wenigstens mit dem einen oder anderen Schneeschauer im März bei manchen für Verwunderung, bei den Winterfreunden unter uns sicher für Freude sorgen. Das ist aber nur „laut gedacht“ mit der mittelfristigen Wetterentwicklung und natürlich keine präzise Vorhersage.

      Euch allen viel Spaß beim Tippen und ein schönes Wochenende, und danke fürs Lesen!

      Viele Grüße,
      Heiko.

      • Dieses Thema wurde geändert vor 2 Jahren, 9 Monaten von Heiko. Grund: Ein paar Korrekturen, jetzt passt es
    • #17397

      Hallo Heiko,

      vielen Dank, dass Du am späten Donnerstagabend  die Zeit gefunden hast,

      uns auf das letzte Prognose-Winter-WE einzustimmen.

      Nicht zu viel Text hast Du super in Einklang mit denen von Dir gezielt ausgewählten Vorhersagekarten gebracht.

      Ich hoffe auch noch auf einen Märzwinter – nicht das wie im April 2017  Spätfröste in eine weit fortgeschrittene

      Vegetation  zu großen Schäden im Obst- u. Weinbau führen.

      Herzliche Grüße aus dem Hochschwarzwald

      Sven

       

    • #17398
      Georg
      Administrator

      Hallo in die Runde,

      bei meinem Taupunkt für Sonntag in Berlin fehlt leider das Minus. Schon wieder ich, sorry. 🙁

      Ganz herzliche Grüße,
      Georg

    • #17399
      Pfingstochse
      Teilnehmer

      Hallo Heiko,

      vielen Dank für die prima bebilderte WB! Nach langer Zeit wohl mal wieder ein WE ohne W’s in B+L, also eher „langweiliges“ Wetter, aber der Teufel steckt im Detail…–> erfolgreiche „Auswahl“  bei den Extremen, Td, N, SD und dd…..

      Beste Grüße und allen ein sonniges WE! Ralf aus Teltow

    • #17400
      nik
      Teilnehmer

      Hi,

      in Wien gab es heute ein kleines Meldechaos. Mit den abendlichen Schauern (die Hohe Warte hat interessanterweise W=6 gemeldet, aber gut) gab es in Schwechat zwar messbaren Niederschlag (0,1 mm), aber keine ww-Meldung. Das macht natürlich keinen Sinn, daher habe ich dort W=0 mit X ersetzt. Falls es andere Meinungen dazu gibt, bitte einfach melden.

      Ps: Zu Mittag wurde an der Hohen Warte zunächst W=7 gemeldet, das wurde aber offenbar im Nachhinein von den Beobachtern nochmal korrigiert und mit W=0 ersetzt.

      LG,
      Nik

    • #17401
      Bibertaler
      Moderator

      Servus zusammen,

      Danke dir, Heiko, für deinen schier unermüdlichen Einsatz, nicht nur an diesem, sondern auch an vergangenen Februarwochenenden. Ja die Wetterzustände hattens heute in sich; allein schon zum Tippen. Etwas nachgetröpfel in Berlin, Schneefall oder Schneeschauer in Innsbruck und mehrere Optionen für Wien. Dass es dort nun im Meldechaos endete, ist schade. Wir hatten so einen Fall auch schon in Innsbruck am Flughafen. Regenmenge war vorhanden, aber eben kein zugehöriges Wetter (zum Glück selten, aber passiert trotzdem hin und wieder und ist doppelt bitter). Wir sind dann dabei verblieben, dass der Beobachter Recht hat, also Regenmenge und die Ww=0 gingen damals in die Wertung ein.

      Zu Innsbruck noch kurz, dass es nachflockt, war abzusehen. Ob es einfach leicht flockt (wäre die 7) oder mit Lücken oder von der Nordkette herab rieselt (das wäre theoretisch die 8 laut Beobachter normalerweise) war beides zu erwarten. Es hat dann bis zum Mittag hin sehr leicht geschneit und man konnte sich schon fast auf die Wv7 freuen – bis dann pünktlich um 11:50 Schauer verschlüsselt wurde. Es gab zu diesem Zeitpunkt schon einige Lücken und es kam immer wieder, auch im Laufe des Nachmittages Schauer von der Nordkette herunter. Alles nichts dramatisches, aber eben nicht messbarer Niederschlag, der nach unserer gewohnten Wertung 10 Punkte Abzug bringt, wenn man ihn nicht erwartet hat (am Rande bemerkt, mit dem neuen Reformvorschlag hätte man volle Punkte oder, falls es 0.1mm geworden wären, zumindest knapp volle Punktzahl. Ich will aber hier keine Regeldiskussion anbrechen, sondern nur darauf hinweisen, dass es auch Vorteile gibt).

      Und nun stellt sich die Frage, ob mit dem Ostwind und der Restfeuchte noch Hochnebel etablieren kann. Wenn dem so ist, bliebe die Tmin höher und wir verlören die ein oder andere Stunde am Morgen, wenn sich der Hochnebel festsetze. Ansonsten wird es morgen auch im Inntal recht freundlich und trocken bleiben und eine sonnige Hochdruckwoche einläuten, zur Freude aller WintersportlerInnen.

      Und abschließend noch eine Anmerkung, falls jemand das Innsbrucker LIDAR wegen der Windsituation im Tal begutachten möchte, wird man auf eine graue Fläche schauen. Das LIDAR hat am vergangenen Montagmorgen dem Kaltfrontsturmdurchgang leider nicht Stand halten können und wird daher vorerst nicht zur Verfügung stehen. Sobald es da neue Entwicklungen gibt, werd ich wieder etwas posten.

      Einen schönen Sonntag euch allen noch trotz allem Ww- und Politik-Chaos
      Bibertaler

      • #17402
        nik
        Teilnehmer

        Hi,

        danke für deine Rückmeldung. Ich kann mich gut erinnern, die Thematik Niederschlagsspuren bei W=0 kam zuletzt auch im März 2021 auf (siehe auch https://wetterturnier.de/forums/topic/strittige-entscheidung-ww-in-zh/#post-16206 ). Diesmal wurden aber sogar 0.1 mm gemessen (eindeutig zwischen 18 und 19 Uhr Lokalzeit), daher wäre W=0 ein klarer Widerspruch. Für mich scheint „X“ in diesem Fall die fairste Lösung. Falls aber jemand klar dagegen ist, können wir natürlich die W=0 dennoch werten.

        LG,
        Nik

    • #17403
      Heiko
      Moderator

      Servus zusammen,

      und vielen Dank für Eure Ergänzungen!

      Am gestrigen Sonntag war es in Berlin zeitweise heiter, teils zeigte sich der Himmel aber stark bewölkt. Ab dem Abend ist mir zudem eine lange nicht mehr so dichte Nebelsuppe begegnet, die wohl kaum jemand von uns auf dem Schirm hatte und erst recht nicht getippt hat.

      Aus Dahlemer Erfahrung kann ich zum Thema Beobachtung und Messung von Niederschlag berichten, dass beides zusammenpassen muss, und dass das Optimum natürlich darin besteht, dass Mensch und Maschine sich ohne Korrekturen einig sind. Im Zweifel gilt (sollte gelten), dass erst mal der Mensch recht hat. Sieht er also irgendeine Art von Niederschlag, ohne dass die Messgeräte was aufzeichnen, wird i.d.R. eine Minute, aber keine Menge eingebaut, um „Niederschlag? Ja. Menge? 0,0 l/qm.“ zu erzeugen. Wird Niederschlag mit 0,0 l/qm gemessen, ohne dass von Beobachterseite etwas bemerkt worden wäre, wird (idealerweise ausschließlich von dem diensthabenden Wetterfrosch) eine Abwägung getroffen, ob man den vermeintlichen Niederschlag „rausnimmt“ (mit Kommentar im Obs-Buch und – erneut idealerweise – Info an die nachfolgenden Schichten; Klassiker: Spinnweben, kein „echter“ Niederschlag) oder drinlässt (Klassiker: Niederschlag war so marginal, dass er schlicht „verpasst“ oder „übersehen“ wurde) und z.B. anhand des Disdrometers der entsprechend plausible Zeitraum bei den Niederschlagsmeldungen (und als SYNOPs) eingetragen wird (idealerweise mit einem entsprechenden „Disdrometer“-Vermerk, was schon deshalb wichtig ist, weil wir eine Wetterbeobachtungs- und keine reine Messstation sind – Ihr wisst schon, idealerweise). Was die Menge von 0,1 l/qm angeht, hatten wir das schon einige Male, wenn Niederschlag, der mitunter einige Stunden zuvor fiel, nachgetropft ist. Dann sollte (das Wort mit „i“ kennst Ihr ja) nach einer entsprechenden Überprüfung die Menge zeitlich dem letzten sinnvoll erscheinenden Niederschlagsereignis zugeordnet werden, wenn möglich. Das könnte also in einem fiktiven Beispiel bedeuten, dass statt 0,3 l/qm bis 15z nach dem letzten Schauer und anschließender Trockenheit, aber gemessenen 0,1 l/qm bis 18z nach einer Plausibilitätsprüfung und Korrektur 0,4 l/qm bis 15z und (1- bzw. 3-stündig) bis 18z ein Punkt bzw. in unsere Turniersprache übersetzt eine -3,0 bei der Niederschlagsmenge stünde. Aber schon die Distanz zwischen dem Balkon, auf dem ich obse, und den Messgeräten, die 50, 100 oder 500 m entfernt stehen, kann natürlich Unterschiede in der Intensität und im zeitlichen Verlauf oder auch Widersprüche (Mensch: Niederschlag ja, Messgerät: Niederschlag: nein; oder umgekehrt) aufzeigen, die jedoch auch bedeuten können, dass im Extremfall der Rand eines Schauers genau dazwischen lag, oder dass eben wirklich nur einzelne Flocken oder Tropfen bei dem einen oder anderen Teil des „Hybridwesens Mensch-Maschine“ angekommen sind / registriert wurden. Selbstverständlich können Messgeräte und die Arbeit von Menschen fehlerhaft sein. So ist eine genaue Betrachtung, wie sie bei Euch im Süden offensichtlich gemacht wurde, wichtig, und ich denke, dass Ihr da gewissenhaft vorgeht. Insofern, zumal ich die Gegebenheiten außerhalb des Wetterturmes an der 10381 nur äußerst rudimentär kenne, maße ich mir keineswegs irgendeine „Bewertung“ von außen an, vielmehr wollte ich mit zwei Cent aus praktischer Sicht am Beispiel von Berlin den Leser(inn)en, die das Wetter als Leidenschaft ohne Einblick oder Erfahrung in der eigenen Beobachtung pflegen, einige Vorgehensweisen erläutern, wie man sich zumindest an „die Wahrheit“ herantasten kann, und was man unternimmt, wenn mal der Topf nicht auf den Deckel passt. 🙂

      Viele Grüße,
      Heiko.

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