Tippen, woher der Wind weht

Ob es blitzt und donnert, regnet oder stürmt, ist ihnen egal. Hauptsache Wetter. Wenn „Wolkenfahnderin“, „Pfingstochse“ oder „Kaltlufttropfen“ vorhersagen, aus welcher Richtung der Wind weht und wie hoch das Thermometer klettert, geht für sie sowieso die Sonne auf. Beim Berliner Wetterturnier tippen sie jeden Freitag bis spätestens 16 Uhr MEZ online, wie das Wochenend-Wetter in der Hauptstadt wird.

Hinter den klangvollen Nicknamen auf der Turnier-Homepage verbergen sich professionelle Synoptiker – so lautet die korrekte Bezeichnung der Vorhersager – ebenso wie Hobby-Wetterfrösche. Denn der vor elf Jahren an der Freien Universität ins Leben gerufene Prognosewettbewerb steht allen offen. „Allen, für die das Wetter eine Herzensangelegenheit ist“, sagt Georg Haas, der das Turnier ehrenamtlich koordiniert. Der 33-jährige Diplom-Meteorologe ist so ein begeisterter Wettermann: „Seit ich denken kann, lebe ich Wetter und liebe spektakuläres Wetter.“

Das Berliner Turnier ist die „Champions League“

Obwohl Haas mittlerweile beim Wetterdienst Meteomedia in der Schweiz arbeitet, hält er dem Berliner Wetterturnier die Treue. Auch wenn es inzwischen in Leipzig, Innsbruck, Wien und Zürich ebenfalls wöchentliche Online-Wetterturniere gibt. „Mit durchschnittlich 67 Mitspielern pro Wochenende hat Berlin die stärkste Community“, begründet Haas: „Und im Berliner Turnier spielt man einfach in der Champions League.“ Weltweit gebe es keine bessere Prognose, ist er überzeugt. Und überhaupt: „Nirgends wird mit höherer Präzision gearbeitet als in den Wetterturnieren.“

An den Flughäfen im Nebel stehen

Obwohl Laien mittippen? „Entscheidend ist die Leidenschaft“, sagt Haas. Viele Hobby-Synoptiker seien Top-Spieler – obwohl den Profis mehr Daten zur Verfügung stehen als die im Internet frei verfügbaren Wetterkarten, Messdaten und Modellvorhersagen. Natürlich würden die Wetterdienste Vorhersagen auf hohem Niveau abgeben. Aber im Routinedienst müsse binnen kurzer Zeit ganz Deutschland bedient werden. „Im Turnier dagegen befassen sich Leute ganz gezielt mit Berlin“ – Wetterfrösche, die beispielsweise genau wissen, dass es an den beiden Messstationen an den Flughäfen Tegel und Schönefeld oft viel stürmischer ist als in der Innenstadt.

„Die Atmosphäre ist ein chaotisches System“

Mit am Computer erstellten Modellen, bei denen Radar- und Satellitendaten mehr oder weniger vollautomatisch ausgewertet würden, werde die Prognose schon halbwegs genau, sagt Haas: „Aber die Königsklasse ist, mit Erfahrung und Lokalkenntnissen mehr draus zu machen, als ein Modell liefern kann. Und mit flexiblem Denken – denn die Atmosphäre ist ein chaotisches System.“ Haas scheint das Chaos ziemlich gut zu durchblicken: Seine persönliche Bestnote liegt bei 194,7 von maximal 200 Punkten, die pro Wochenende im Turnier zu erreichen sind. Rein theoretisch, denn geschafft hat die 200 bislang noch niemand aus der Tipperriege.

Alles für Ruhm und Ehre

Und das, obwohl mancher kein einziges Wochenende auslässt. „Ich bin da echt zwanghaft“, sagt der Berliner Turnierleiter Robert Hausen und lacht. Selbst im Urlaub fahndet der 26-Jährige freitags nach einem Internetcafé, um rechtzeitig seinen Tipp abzugeben. Dabei lässt sich beim Wetterturnier nicht ein einziger Cent gewinnen. Nur ein guter Ruf. Der ist allerdings nicht zu unterschätzen. Die Synoptiker-Szene sei recht überschaubar, sagt Hausen. Bei den Wetterdiensten würde genau registriert, wer im Turnier gut sei. Meteorologie-Studenten, die dort ihr theoretisches Wissen regelmäßig praktisch anwenden, hätten später bessere Chancen auf einen guten Job.

„Schneehäuschen“ spielt in der Top-Riege

Diplom-Meteorologe Hausen arbeitet beim Deutschen Wetterdienst in Hamburg. Und trotz Nachtarbeit und Zwölf-Stunden-Schichten spielt er beim Wetterturnier in Berlin und Leipzig mit und gibt als „Schneehäuschen“ seine Prognosen ab. 194,9 ist seine Bestnote in der Hauptstadt, 195 Punkte schaffte er schon mal in Leipzig – mit Vorhersagen, die Otto-Normalverbraucher auf den ersten Blick gar nichts sagen. Denn die zwölf Werte, die die Wetter-Spieler ins Online-Prognoseformular eingeben, sind codiert.

Bei einer Null gibt’s „kein Wetter“

Die 9er-Zahlen stehen für Gewitter, die 7er für Schnee. Hinter der 8 verbergen sich die „Schauergruppen“. Im 40er-Bereich ist Nebel. Die schönen Wetterzustände sind alle im Zehnerbereich, Dunst und Wolken inklusive. „Die Synop-Codes sind leicht zu lernen“, sagt „Schneehäuschen“. Wer die Spielregeln gründlich lese, wisse schon bald, wie Bedeckungsgrad, Sonnenscheindauer, 24h-Böen oder Taupunkt einzugeben seien. „Nur bei der Windgeschwindigkeit machen Anfänger oft Fehler – weil die in Knoten und nicht mehr in Stundenkilometern eingetragen wird.“

Und nur absolute Anfänger staunen darüber, dass es einen Zustand gibt, den die Synoptiker als „kein Wetter“ bezeichnen und in ihrer Liste mit einer Null markieren. Das bedeutet ganz einfach, dass sie einen trockenen Tag vorhersagen – ohne Zustände wie Sprühregen, Nebel oder Schnee.

Kontakt zur Autorin: Katrin Starke