Startseite › Foren › Wetterturnierforum › Wetterbesprechung 8. September 2017
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September 8, 2017 um 12:05 pm Uhr #3275HeikoModerator
Hallo und herzlich willkommen zur heutigen Wetterbesprechung!
Es ließe sich viel über das Wetter abseits unseres mitteleuropäischen Turniergebietes schreiben, Stichwort u.a. „IRMA“, aber ich will es – Kommentare, Ergänzungen und Fragen natürlich wie immer erwünscht – beim Wetter vor der Haustür belassen.
Das Satellitenbild von heute Mittag zeigt uns die umfangreichen Wolken eines Tiefdruckgebietes über den Britischen Inseln, die weite Teile des zentralen, westlichen und nördlichen Europa überziehen. Über dem zentralen Mittelmeer und bis nach Südosteuropa gibt es ein paar schön anzusehende, konvektive Strukturen, während es relativ wenige Wolken am Schwarzen Meer und im westlichen Mittelmeerraum gibt. Auch gut zu sehen ist die höhenkalte Luft vor allem westlich der Britischen Inseln, aber auch über der Nordsee.
Passend dazu die Höhenkarte des heutigen 500-hPa-Niveaus: Tiefes Geopotential herrscht vom westlichen Russland über das Baltikum und große Teile Skandinaviens bis in den Nordwesten Europas vor. Neben einem eher kleinen Tief über Südfinnland ist auch in rund 5,5 km Höhe der Grund für die o.g. Wolkenstrukturen im Zusammenhang mit dem (Boden-)Tief bei den Britischen Inseln gut zu erkennen. Auch wenn das Tiefdruckzentrum nicht über Island, sondern südöstlich davon liegt und das Azorenhoch auch ein ganzes Stück nordwestlich der Azoren liegt, so kann man sich angesichts des in dieser Grafik gegebenen Setups gut die „westliche Düse“ über dem Nordatlantik vorstellen.
Beim etwas genaueren Blick auf die Lage in Mitteleuropa im Bezug auf das 850-hPa-Niveau der pseudopotentiellen Temperatur von heute früh erkennt man, wie sich bereits der Warmsektor des Tiefs über den Britischen Inseln nach Nordfrankreich, Belgien und in die Niederlande bewegt hat. An dieser Stelle – zumal es ja in den und südlich der Alpen auch einiges spannendes zu beobachten gibt – die obligatorische Bitte um Beiträge unserer Cracks aus Österreich und der Schweiz!
Nun kommen wir zur DWD-Analyse und endlich auch zum bislang verschwiegenen, genialen Namen QUASIMODO. So darf man also offensichtlich sein Kind tatsächlich nennen, denn i.d.R. tauchen nur offiziell standesamtlich anerkannte Vornamen bei der Berliner Wetterkarte auf. Nun denn, QUASIMODO heißt das zuvor schon beschriebene Tief bei den Britischen Inseln. Der Warmsektor ist laut DWD um 00z deutlich weiter aufgespannt, als es bei der oben gezeigten 850-hPa-Pseudopotentialkarte 6 Stunden später der Fall zu sein schien. Sei’s drum – QUASIMODO löst PERRYMAN, das vorige Tief, als Regenquelle ab.
Heute Mittag gab es in der Mitte und vor allem im Norden mal mehr, mal weniger kräftigen Niederschlag, der teils in Form von Regen, teils als Sprühregen fiel. In Berlin-Dahlem zeigte sich während eines dieser leichten Regenereignisse durch einen Altostratus sogar die Sonne. Von Nordfriesland über die Deutsche Bucht und Ostfriesland sowie weiter in die Niederlande ist gut die deutlich mehr konvektive Aktivität zu sehen; allerdings gingen bis etwa 12.30 Uhr die Schauer ohne jeden Blitz nieder.
Wir springen auf morgen Mittag und sehen uns die Karte des 500-hPa-Niveaus an: Die (höhen-)kalte Luft über dem westlichen Europa soll sich bis zum westlichen Teil der Pyrenäen vorangearbeitet haben, während sich die Regionen (innerhalb unseres Turniergebietes) etwa von der Schweiz bis nach Ostdeutschland auf der Vorderseite des Troges befinden. Das sieht doch ziemlich nach einem um 180° gedrehten Omega aus, oder?
Auf der entsprechenden DWD-Prognosekarte ist einmal analog zum Höhentief die langgestreckte Kern-Isobare von 995 hPa zwischen der südlichen Nordsee und den mittelnorwegischen Küstengewässern zu erkennen. Von einem Tiefdruckzentrum über der nördlichen Nordsee soll sich eine Okklusionsfront über Südnorwegen und Mittelschweden sowie den Bottnischen Meerbusen bis ins südliche Finnland erstrecken. Vom dortigen Okklusionspunkt führt einerseits eine Warmfront in südöstlicher Richtung bis zu einem Hoch über dem südwestlichen Russland. Die ihr westlich folgende Kaltfront führt über das westliche Estland und geht bereits über dem Rigaischen Meerbusen in eine Warmfront über, die ihrerseits zu einem weiteren, QUASIMODO zugeordneten Tiefdruckzentrum etwa über Rügen führt. Weiter südlich bis südwestlich schließt sich eine Kaltfront an, die bis nach Südfrankreich zu verfolgen ist und dort in die Warmfront eines unbenannten Tiefs bei den Balearen übergeht – dass Urlaubswetter anders aussieht als z.B. auf Mallorca gestern, kann man sich bei dieser Konstellation gut vorstellen.
Was die GFS-Prognose für das 850-hPa-Niveau bei der pseudopotentiellen Temperatur in Mitteleuropa anbietet, seht Ihr hier:
Eine der spannenden Fragen hinsichtlich unseres Wetterturnier-Wochenendes lautet für mich, ob die Kaltfront wirklich so schnell „durch“ ist und was die dahinter folgende höhenkalte Luft macht. Ob der Niederschlag bis 18z Berlin erreicht, wie es uns GFS im Modellwetter anbietet? Und dann wirklich „nur“ Sprühregen oder Regen, oder auch Schauer? Ich erinnere dezent daran, dass sich das reale Wetter manchmal gerne weder an die Theorie bezüglich Fronten und Art der daraus folgenden Niederschläge, noch an das von einzelnen Modellen berechnete Timing sowie die Zugbahn von Tiefs und Fronten hält. 🙂
Was einigermaßen plausibel erscheint: Auf der Vorderseite des Tiefs wird es teils deutlich wärmer als zuvor. Somit ist mancherorts (schöne Grüße nach Wien) ein Sommertag realistisch. Aber wo genau wird es wie warm? An welcher Stelle liegt denn das Tief, und wie weit profitieren z.B. Berlin und Leipzig wirklich von der Vorderseite? Wenn GFS schon alleine für Brandenburg eine Spanne zwischen 17°C in der Prignitz und 24°C an der Neiße anbietet, ist entsprechende Vorsicht geboten. Zumal: Vorderseite hin oder her, die Sonne bzw. die Wolken haben ja auch noch ein Wörtchen mitzureden, alleine schon bei der Frage, wie weit die Temperatur nachts heruntergeht.
Bis zum Sonntagmorgen soll der Niederschlag knapp östlich von Berlin in eher bescheidener Ausprägung zu finden sein, wogegen – wiederum laut GFS – in den Alpen recht deftige Signale angeboten werden.
In 500 hPa soll am Sonntagmittag die kalte Luft aus Norden vermehrt in den westlichen Mittelmeerraum vorangekommen sein und es „riecht“ sehr nach einem Abtropfprozess. Der „Ausreißer“ nach Süden hat eher kühle Luft im Gepäck, was der grob südwestlichen Strömung, die man anhand der Isohypsen v.a. über Norddeutschland ausmachen kann, entgegensteht.
Die pseudopotentielle Temperatur in 850 hPa am Sonntagmittag zeigt – neben der nach Osten abgedrängten wärmeren Luft (beispielsweise etwa 54°C über dem äußersten Osten Polens) – eine Blase kalter Luft über der Ostsee etwa im Bereich der Lübecker Bucht und bis nach Süddänemark mit unter 33°C. Von England bis zur Biskaya schiebt sich bereits die nächste Warmluft“zunge“ heran. Am südlichen Rand des Kartenausschnittes ist auch noch ein Tief über dem Golf von Genua zu sehen, das nach der zuvor beschriebenen Kaltluftzufuhr aus Norden ja auch zu erwarten ist.
Hier der Vollständigkeit halber die DWD-Prognose für den Sonntagmittag: Tief QUASIMODO liegt mittlerweile über Nordosteuropa, wobei seine in südlicher bis südwestlicher Richtung verlaufende, verwellte Front bis zum Tief über Korsika und darüber hinaus nach Algerien reicht. Ein neuer nordatlantischer „Brummer“, der für ansehnliche Satellitenbilder sorgen dürfte, liegt in Form des Tiefs REINHOLD mit unter 980 hPa nordwestlich der Britischen Inseln. Dazwischen: Isobarensumpf.
Als nächstes möchte ich kurz auf die Bewölkung am Sonntag hinweisen, und hier speziell zu Berlin darauf aufmerksam machen, dass es einerseits nicht weit entfernt im Osten und Südosten noch ein relativ dichtes Wolkenband der Kaltfront gibt, andererseits aber vor dem nächsten, von Westen heranziehenden Tief REINHOLD eine wolkenarme bis -freie Zone folgen soll.
Hier noch der Blick auf die GFS-Höchsttemperatur, die gebietsweise gar nicht so viel unter der des Vortages liegen soll – ich hatte die Rolle der Sonne als Wärmequelle bereits angesprochen und wir haben dann „immerhin“ gerade mal die erste Septemberdekade hinter uns.
Wieder einmal kann es bis zum Montagmorgen u.a. in Berlin und Leipzig spannend bleiben, denn so weit ist der bis dahin von Westen aufziehende Niederschlag nun nicht entfernt.
Mit dem von Westen heranziehenden Tief REINHOLD wird auch das Thema „Böen“ in Berlin und Leipzig u.U. relevant, wie Ihr meiner letzten Karte der heutigen Wetterbesprechung entnehmen könnt.
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Tippen, danke fürs Lesen und ein schönes Wochenende! 🙂
Viele Grüße,
Heiko.
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