Wintereinbruch in den Alpen _ VorWB vom 4.11.2022

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    • #18258
      Bibertaler
      Moderator

      Servus zusammen,

      es ist schon wieder einmal extrem schade, dass das Wetter einfach zu schnell ist. Wie spannend wäre es gewesen, diesen Donnerstag und Freitag in Innsbruck zu tippen?! Nach gefühlt Monaten an zu milden Luftmassen, die bestes Wanderwetter lieferten, hat sich die Zeit der Hochtouren fürs Erste erledigt. Mit Durchzug der Front von Tief Nele kam im Vorfeld nicht nur ordentlich Föhn in den Alpenraum, sondern mit Einstürmen der Kaltluft auch der erste bemerkenswerte Wintereinbruch bis in tief-mittlere Lagen. Am Alpennordrand braucht es noch ein bisschen. Der Fernpass, ist noch nicht eingeweißelt. Dafür sieht es am Brenner interessant aus mit Schnee in Grieß auf 1180m. Sommerreifen sind da sicher keine gute Wahl!!!

      Um den ersten Winterhauch gebührend zu würdigen, möchte ich an dieser Stelle die Grafiken archivieren und kommentieren. Im LIDAR-Composit sieht man zunächst, wie sich am Mittwoch zunächst noch mit Einfließen Luft mit Feuchte und Feinstaub ins Inntal hinein bewegten. Zusätzlich stiegen auch die im Backscatter erkennbaren Wolken mit der Zeit an. Nach Sonnenuntergang wagt sich in Kammhöhe allmählich der Südföhn nach Tirol. Mit Absinken am Brenner sinken die Wolken wieder etwas ab und gegen 22UTC erreicht die Föhnluft endlich den Bereich, wo sie im Windfeld auch mit deutlicher Windstärke zu sehen ist. Mit weiterem Vorrücken der Föhnluft und Ausbildung des Leetiefs hinterm Patscherkofel setzt ab Mitternacht in IBK vorföhnig West ein, was die Abkühlungsrate etwas abschwächt. Sehr effektiv ist es aber erst gegen Sonnenaufgang, daher war auch die Tmin tiefer als sonst mit etwas stärkerem West. Am Freitagvormittag arbeitete sich der Föhn weiter gen Norden. Sonneneinstrahlung und das an sich klassische Absinken am Hauptkamm mit Föhnmauer (siehe Webcambild) sind mal wieder ein Beispiel für den Lehrbuchföhn, der in IBK häufiger nicht so stattfindet – ist aber ein anderes Thema.

      Zum Mittag hin wird es spannend. Der Föhn bricht durch und erreicht die Unistation kurz nach 12UTC. Wäre der Föhn wenige Minuten vorher da gewesen, hätte man T12=Tmax tippen müssen inklusive FF=8-9 m/s und Windrichtung 180° für die Uni oder 120-130° für den Flughafen. Auch der Taupunkt ging etwas nach unten, wenn auch nur sparsam. Da kennen wir effektivere Abstürze. Das liegt aber daran, dass der Alpenhauptkamm zu diesem Zeitpunkt in der Föhnmauer steckte und daher nicht viel Höhe zum Absinken war. Bis Mitternacht hielt der Föhn im Stadtgebiet durch bei Werten über 15 Grad. Währenddessen kam die Front immer näher. Regen in Südtirol über Vorarlberg bis weit nach Deutschland hinein machen klar, wohin die Reise geht. Gegen Mitternacht hob die Föhnluft zu Gunsten feuchter, weniger milder Luft aus dem Oberland ab. Um 3UTC prescht sich nochmal eine Böe durchs Inntal, hätte man als aus synoptischer Sicht für unser Turnier beim FX einplanen müssen, wenn man dem Föhn nur bis vor Mitternacht eingeplant hätte. Kurze Zeit vorher wurde diese auch in Haiming registriert (östlich vom Ötztalausgang), etwa zur selben Zeit wie in Innsbruck drückte sich die Luftmasse auch übers Seefelder Plateau in die Berge hinein. Mit Abflauen des Windes setzte dann auch der Regen ein, zunächst noch mit Westwind bei noch wenig winterlichen Werten. Mit Wechsel auf Einfließen gegen 6 UTC ist das Einsickern der Kaltluft übers Unterinntal eingeläutet und das macht sich wenige später auch bei der Temperatur bemerkbar. Auch hier ist die Tmax-T12 Frage interessant. Wie effektiv ist der Luftmassenwechsel? Das hat viel potential, das uns in der altgewohnten Regel nicht groß interessiert hat und verlangt dadurch etwas mehr Überlegung, wie sich der Tag insgesamt verhält. Die Hauptsache ist jedoch, dass der Schnee nicht bis unten fällt. Das wäre ein schlechtes Signal, denn „schneit’s vor Martini (11.11.) übern Inn, ist der halbe Winter dahin“. Aus meiner Erfahrung passt diese Regel erstaunlich gut.


      LIDAR Composite von Mittwoch bis Freitag mit ein paar Eintragungen zur Orientierung. Alles überhalb der roten Linien ist Föhnluft. in Schwarz ist der Zeitpunkt des Soundings und zugleich der mit deutlichem Taupunktssturz fast schon westföhnigen Böe eingetragen (Nordföhn über Seefeld wars zumindest keiner).

       
      Sounding am Flughafen, sehr feucht von 340 hPa bis knapp unterhalb Sattelbergniveau auf unter 820 hPa mit Südwind. Darunter West im Inntal und zwei Inversionen inklusive nahezu trocken adiabatischer Schichtung.  Und zusäzlich die Unidaten

      Was können wir uns nun von diesem Intermezzo erwarten? Nun, der Freitag wird zunächst noch regnerisch bleiben, Schnee im Hochgebirge flockt munter weiter, bis auf 1000m zur Hungerburg sollte es sich schon noch locker ausgehen Dabei sind schonmal 10-20cm zustande gekommen (lawis.at, #Seegrube,#DresdnerHütte am Stubaier). Bis Samstag hat sich das aber erledigt. Mit auf Nord drehender Anströmung werden zwar Schauer vom Süddeutschen Raum in die Alpen gebracht, im Lee der Nordkette wird davon aber wenig ankommen. Die Staulagen am Alpennordrand freuts dagegen. Zum Sonntag hin macht sich Keileinfluss breit, der die Schauer zum Auflösung zwingt und abgesehen von Hochnebelfragen meist sonniges, wenn auch kühleres – der Jahreszeit passenderes Wetter als zuletzt liefert.

      So, viel Spaß beim Tippen euch allen und schonmal ein schönes erstes Novemberwochenende – in etwa 10 Tagen öffnet der Christkindlmarkt in Innsbruck übrigens seine Pforten 😉

      Viele Grüße
      Bibertaler

      Zum Abschluss noch Vorher-Nachher-Bilder von der Seegrube gen Süden übers Wipptal nach Italien- links mit Föhnmauer an der Serles, rechts mit Neuschnee auf der Seegrube

    • #18262
      Heiko
      Moderator

      Servus lieber Bibertaler,

      und vielen Dank für Deine alpine, winterlich garnierte Wetterbesprechung!

      In Berlin, so habe ich vor ein paar Tagen in unserer Dahlemer Statistik gesehen, gab es 1915 mal Ende Oktober eine frühe winterliche Phase mit bis zu 8 cm Schnee und Frost. „Heuer“ ist es mittlerweile zwar recht frisch und heute auch mal wieder mit ww=61 bestückt, aber von Winter b.a.w. nichts zu sehen. Frost ist nachts eine Ausnahmeerscheinung, wenn überhaupt, dann in 5 cm Höhe, und die Höchsttemperatur liegt wohl bis zur Monatsmitte im zweistelligen Bereich.

      Für unser Turnier erscheint mir v.a. interessant bzw. relevant, ob und wieviel Regen im Schlepptau des von Alex angesprochenen Südskandinavientiefs NELE in der zweiten Hälfte der Nacht zu morgen fällt – Rattenschwanz aus Wolken und den sowieso in Zahlen verpackten Parametern inklusive. Der Sonntag – zwei Taler ins Phrasenschwein – macht seinem Namen wohl alle Ehre, dank des ebenfalls von unserem Bibertaler angedeuteten Azorenhochablegers BAHRUDIN, der von Frankreich seinen Einfluss verstärkt (und bei südlichem Wind, in der Nacht zum Sonntag mit leicht südwestlicher Komponente, sieht es nicht so richtig nach Nebel aus – wobei wir den ja nur indirekt tippen würden).

      Schönes Wochenende und viele Grüße,
      Heiko.

    • #18266
      Achentaler
      Teilnehmer

      Hallo zusammen.

      am Samstag (05.11.22) ist der FX 24 am Flughafen Innsbruck  mit 0,0 in die Wertung eingeflosssen. Dieser Wert

      erscheint mit schwer bis gar nicht vorstellbar.

       

      lg Achentaler

       

    • #18267
      Georg
      Administrator

      Lieber Achentaler!😉

      fx = 0 ist wohl mangels Daten automatisch in der Wertung gelandet. Bei nächster Gelegenheit trage ich den korrekten Wert ein.

      Den Hochnebel von vergangener Nacht hatte im Vorfeld niemand so richtig auf dem Schirm. Der Druckgradienttendenz zum Trotz hielt sich das Grau lange Zeit.

      Ganz herzliche Grüße,
      Georg

    • #18268
      Mammatuscloud
      Moderator

      Moin Bibertaler,

      Danke für die tolle WB und die Bebilderung des Wintereinbruchs! Hoffen wir, dass bis Dezember noch bissel mehr Schnee dazu kommt. 😉

      Gruß Mammtuscloud

    • #18270
      Heiko
      Moderator

      Hallo zusammen,

      aus Berliner Sicht noch eine Ergänzung zu den Feinheiten in Sachen Niederschlag. Unser Turnierwochenende fing ja zum einen doch etwas nasser an als man bei der nach Nordosten ziehenden Kaltfront hätte vermuten können. Auch zum Ende des mit der Wetterturnierreform neu relevanten Zeitraumes wurde es noch mal spannend. Von Niedersachsen zog ein Regengebiet über Sachsen-Anhalt und Brandenburg und, ja, auch im Berliner Raum maßen etliche (private) Wetterstationen um 00z Getröpfel. In Dahlem wurde nichts an Wasser von oben beobachtet und auch Schönefeld blieb den Obsen zufolge trocken. Würde es ein Wn für die zwölf Stunden von Sonntag 12z bis Montag 00z geben, hätte man also mit einer 0 alles richtig gemacht, obwohl angesichts der tatsächlich im Berliner Raum eingetretenen Wetterverhältnisse eine 6 deutlich nachvollziehbarer zu tippen gewesen wäre – Frust wegen der niederschlagsfreien 10381 und des ebenso ohne Regen verharrenden BER inklusive. Zum 01z-Termin wurde letztlich noch an einigen Stellen ww=21 gemeldet, und – zumindest mit einem kleinen Ausrufezeichen versehen – hier und da eine messbare Menge (0,1 l/qm) registriert. Ein paar Tropfen Regen oder nicht, kann man sagen, aber gerade diese Details machen ja (auch) den Reiz des Wetters aus.

      Viele Grüße,
      Heiko.

      • Diese Antwort wurde geändert vor 1 Jahr, 5 Monaten von Heiko.
    • #18273

      Hallo Heiko,

      ich kann den Frust von Dir gut verstehen.

      Nachdem ich mich noch über den länger anhaltenden Niederschlag in der  Nacht auf Samstag noch gefreut hatte-wenn’s auch zu viel des guten (aus Prognosesicht) war,

      patzte ich an beiden Tagen bei S12 u. S24 sowie am Samstag bei FX24.

      Die Böen bekomme ich einfach nicht in den Griff, mal zu tief wie am Samstag in Berlin , dann wieder viel zu hoch (s. auch meinen Beitrag zu Zürich).

      Man denkt sich ja etwas dabei, wenn man sich mal gegen die Modelle entscheidet, so wie ich in Zürich.

      Die Sonne ist ein einfaches Manko.

      Schön ist es aber für die Gesamtsituation des Turniers, dass wie z.B. in Berlin größere Verschiebung bei den Plätzen jederzeit möglich sind.

      Das spricht doch sehr dafür, dass die neuen Parameter ein Glücksgriff sind und für Spannung sorgen.

      Herzliche Grüße an Alle

    • #18274
      Heiko
      Moderator

      Hallo Sven,

      danke für Deine Rückmeldung und für Deinen Bericht nebenan – sehr interessant!

      Viele Grüße,
      Heiko, der selbst im eher wenig bergigen Berlin so manche erhöhte Ecke kennt, an der der Wind deutlich stärker weht als woanders – abgesehen davon, dass es auch nicht erhöhte Ecken gibt, bei denen der fast schon Mikromaßstab spannend ist (Straßenschluchten, Häuserecken etc.).

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