Westwetterbesprechung für das WE vom 08.02.-10.02.2019

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    • #13311
      Snab_LE
      Moderator

      Hallo zusammen,

      Michael alias „Kaltlufttropfen“ hatte es ja schon im Nachbarthread angerissen: Am Wochenende werden die Synoptiker dank Tief „Thomas“ und Tief „Uwe“ wieder voll auf ihre Kosten kommen. Schaun mer mal, wann sie ihren Auftritt bekommen:

      Heute gibt es zum Start mal einen detaillierteren Blick auf unser mitteleuropäisches Wetter. Das sichtbare Bild des TERRA-Satelliten zeigt weite Teile Südostdeutschlands und den Alpenraum wolkenfrei. Die weißen Flächen markieren vorhandene Altschneefelder der kräftigen Schneefälle am letzten Sonntag bzw. des gesamten Januars, die sich trotz positiver Temperaturen in der bodennahen Kaltluft lange halten konnten. So lagen heute morgen u.a. in Chemnitz und Dresden jeweils noch 15 cm, auf dem höchsten Berg Sachsens, dem Fichtelberg, wurden aus privater Hand 1,74 m gemessen. Die wolkenfreien Bereiche markieren ein kleines Zwischenhoch, welches sich auf der Rückseite des alten, okkludierten Tiefs „Stefan“ ausbilden konnte. Von Westen greifen dagegen schon hochreichende Wolkenfelder der Warmfront von „Thomas“  -unserem Samstagsprotagonisten- bereit.

      TERRA-Satellitenbild
      Quelle: https://worldview.earthdata.nasa.gov/

      Kommen wir also zu Tief Thomas, welches sich am Donnerstag dank dynamisch günstiger Lage im linken Diffluenzbereich mächtig intensivieren konnte (999hPa auf 969 hPa Kerndruck binnen 24h) und inzwischen sein Reifestadium erreicht hat. Da auf seiner Rückseite reichlich Kaltluft gen Süden strömt, konnte sich eine stattliche Welle ausbilden, die weiter an Amplitude gewinnt und unser Turniergebiet mehr und mehr in eine südwestliche Strömung bringt. Die Front des Tiefs okkludiert zusehends und verliert während der Passage mangels Hebung und durch zunhemende Abtrocknung an Intensität. Zu Beginn des Spielzeitraumes, morgen 06UTC befindet sie sich dann auf einer Linie Berlin-Zürich, wodurch beide Städte trotz Abschwächung wohl mit einer 6 in den Samstag starten werden. Leipzig profitiert dagegen vom raschen Überströmen des Thüringer Waldes, wodurch fraglich ist, ob es für eine Wv = 6 reicht oder doch bei netten Leewellen mit ein paar virgae in den Aufstiegsbereichen bleibt.  Für Innsbruck und Wien verhindert aufkommender Föhn ein merkliches Eingreifen der Front in den freundlichen Wettercharakter, sodass Niederschläge hier am Vormittag nicht zu erwarten sind.

      Nach Durchzug der Front rückt recht rasch der Höhentrog nach. Dieser beeinflusst allerdings eher Leipzig und Berlin mit „höhenkalten“ Luftmassen (T500 bis -32°C bei T850hPa von -2°C) und labilisiert dort folglich die untere Troposphäre. Unter fortlaufender Drehung auf eine westliche Strömung sind daher in der Mittagszeit größere Wolkenlücken insbesondere in Leipzig sehr wahrscheinlich, zugleich kommen aber auch einige, teils kräftige Schauer auf, die für Berlin eine Wn = 8 wahrscheinlich werden lassen. In Leipzig hat es aufkommende Konvektion bei kräftiger Strömung aus W-SW dagegen immer schwer gegen das Absinken und Abtrocknen im Lee der Mittelgebirge anzukommen. Daher sind sich auch die MOS’se über eine 0 im Wn recht einig, einen kurzen Schauer würde ich aber nicht gänzlich ausschließen. Appropos kräftige Südwestströmung: Der Wind legt deutlich zu und erreicht im Trogbereich Böen bis 35 kn, in den Schauern möglicherweise auch noch etwas mehr. Dank guter Durchmischung geht es in Berlin, Leipzig und Zürich über 10°C, in Innsbruck überlasse ich das Temperaturtippen den Föhnexperten, während Wien noch in der alten „Kaltluft“ hängt und hier nur 5-7°C erreicht werden.

      Sonntag steht noch etwas mehr Spannung ins Haus: Im Laufe des Samstages führt ein kurzwelliger Trog weit draußen auf dem Atlantik mit hoher Geschwindigkeit Kaltluft von der Labradorsee gen Südosten und trifft westlich der Bretange auf subtropische Warmluft und die Überreste eines Azorentiefs. Aus dem Kaltluftschwall resultiert ein kurzwelliger, aber intensiver Höhentrog, auf dessen Vorderseite die subtropische Warmluft plötzlich einer mächtig diffluenten Höhenströmung unterliegt. Infolge kommt es in den frühen Morgenstunden des Sonntags über dem Ärmelkanal aus der Überlagerung differentieller positiver Vorticityadvektion, dem linken Diffluenzbereich und mächtiger WLA zu massivem Druckfall, aus dem nach dem ICON 06z eine Zyklogenese mit Kerndruckentwicklung von 999 hPa Sa 18UTC auf 979 hPa zum Sonntagmittag resultiert. Zum 12z-Termin würde sich der Kern über der holländischen Nordseeküste befinden. Entsprechend der kurzfristigen Entwicklung bestehen dazu aber noch Unsicherheiten.

       

      Dennoch wird es auch für unser Turnierspiel ein Vollwettertag. Am Vormittag kommt es im Bereich der Warmfront über Leipzig und Berlin zu mehrstündigen Dauerniederschlägen, wobei in Leipzig diese durch weiterhin kräftige Leewirkung seitens des Thüringer Waldes etwas schwächer ausfallen werden. Den Alpen steht dagegen eine Intensivierung des Südföhns ins Haus, wodurch auf den Bergen bereits kräftiger Wind, vor allem aber hohe Temperaturen in den Föhnregionen (bis zu 15°C) zu erwarten sind. Nachfolgend greift die Kaltfront mit hoher Geschwindigkeit über. Zunächst wird Zürch von ihr erreicht, nach Lesart des Super-HD 00z oder ICON 06z aber kurz vor 18 UTC auch noch Leipzig. Daher sich unmittelbar vor der Kaltfront die Schichtung labilisiert, sind an ihr konvektive Überlagerungen bis hin zu einzelnen Gewittern sehr wahrscheinlich, mit denen dann auch der Föhn zusammenbricht und der kräftige Höhenwind  (50 – 65kn in 850hPa) ins Bodenniveau herabgemischt werden kann. Die Folgen sind denkbar und möglicherweise schadensträchtig. Auch rückseitig kann es im Torgsturmfeld, je nach Entwicklung des Tiefs zu einzelnen Böen bis 50 kn kommen. Geht man nach dem aktuellen Super-HD, soll Berlin Leipzig noch in der Nacht zum Montag von der Okklusionschleife erreicht werden, sodass es nochmals zu länger anhaltenden Regen und Schneefällen kommen kann, während an den Alpen nur kurzzeitig im Rahmen der Kaltfront Niederschläge fallen. Hier wird es dann erst im Laufe des Montags unter zunehmender Nordwestströmung interessanter 😉

      Damit wären wir auch am Ende des Wochenendes, ich muss nun schnell noch den Leipzigtipp abgeben.

      Beste Grüße und viel Erfolg allen Spielern,

      Oscar

      • Dieses Thema wurde geändert vor 5 Jahren, 9 Monaten von Bibertaler. Grund: Schlagwort WB ergänzt
    • #13313
      Bibertaler
      Moderator

      Servus zusammen,

      Danke Oscar für deine, wenn auch knapp vor Abgabe abgegebene WB – zum Glück gibt es dafür keine Abgabezeit 😉 – es war soweit alles drin. Im Osten hatte ich etwas Bauchschmerzen in Leipzig und Berlin 0er als Ww zu tippen und habe mich dann durchgerungen, zumindest am Samstagnachmittag für Leipzig trocken zu lassen. Dass ihr ja auch absink-interessante Mittelgebirge habt, vergesse ich leider immer noch. Jetzt hab ich Bauchschmerzen, weil ich nur am Nachmittag trocken gelassen hab, aber mal schauen, was geht.

      Zu Innsbruck sieht es an sich recht spannend aus in den kommenden Tagen. Morgen schon leicht föhnig, aber kein Durchgreifen, am Sonntag dann starker Druckgradient zwischen Bozen und Innsbruck (bis zu 8hPa); wäre schon eine gute Ausgangslage. Die Frage ist, ob der Kaltluftsee sich über die Sonntagnacht wieder gut etablieren kann und dagegenhalten kann, mit der Folge, dass der Föhn im Wipptal bleibt. Das macht die Temperaturgeschichte nicht einfacher. Ohne Föhneinfluss bleibt es sicher einstellig. Mit Föhn wird es teils deutlich mehr, wobei -5°C auf 800 hPa (ECMWF) südlich vom Brenner würden eine Föhntemperatur von +8°C möglich werden lassen. Wenn man bis auf 700hPa schaut, wär die Föhntemperatur bei 14 bis 15°C, aber um diese Zeit so hochreichend wäre schon etwas besonderes oder sieht da jemand Potential dafür? Ich hab mich selber für Vorföhnigwest zu Mittag und ein bisschen Föhn am Nachmittag entschieden und die Temperatur entsprechend angepasst.

      Und ab Montagnacht kommt dann der nächste Schwung Schnee, wobei es schon fast ein Verbrechen ist, dass erst ein Föhn die schon leidende Pracht wegföhnt, nur um dann wieder etwas drauf zulegen. Von der Seite ist der Föhn absolut unnötig, aber mal schauen, was drauß wird.

      Schönes Wochenende zusammen
      Bibertaler

      PS: @Oscar, ich hab in deiner WB bei Schlagwörter WB ergänzt, damit es grün erscheint und besser auffällt 😉

    • #13314
      Snab_LE
      Moderator

      Weitere Karten zum Sturmtief UWE, die ich vorhin nicht zu zeigen geschafft habe:

      Überlagerung von differentieller PVA und WLA zum stärksten Entwicklungszeitpunkt 03z:

      Quelle: https://www.meteo.uni-bonn.de/messdaten/modellkarten

      Animation der Tiefdruckentwicklung von Sa 18z bis Mo 00z nach ICON 06z. Deutliche Intensivierung in der Nacht zum Sonntag, anschließend langsames auffüllen. Interessant auch das kleine Randtief über der Nordsee ab So-Abend, welches (falls diese Entwicklungs so eintritt) am Montag weitere Niederschläge in Form von Schnee für die Hochlagen bringen könnte:

      Vergleich der Berechnungen des europaweiten SuperHD (Auflösung auf 4×4 km vermindert) 18z, 00z und 06z zum Reifestadium des Sturmtiefs am So 15z:

      Quelle:  https://kachelmannwetter.com/de/modellkarten/swisshd-eu/mitteleuropa/gwl-synoptik-komposit/20190210-1200z.html

      Wie so oft gibt es bei raschen Tiefdruckentwicklungen noch Unsicherheiten zur Zugbahn und Intensität. ICON_EPS 00z noch mit >4 hPa Standardabweichung in der Entwicklungsregion des Tiefdruckkerns, Wind in 850 hPa noch mit 8-12 m/s Standardabweichung. Der kräftige Höhenwind auf der Vorderseite bis zur Kaltfront über Süddeutschland ist dagegen schon recht sicher:

      Quelle: https://www.dwd.de/EN/weather/wmc/wmc_node.html

      Neues ICON_NEST 12z oder auch EZMWF 06z mit deutlich schwächerer und weniger okkludierten Entwicklung. Zugbahn des Kerns auch etwas nach Südosten verschoben. EZMWF auf der Rückseite zusätzlich noch eine 2. Welle, mit der die Kaltluft verzögert zugeführt wird:

      Quelle:  https://kachelmannwetter.com/de/modellkarten/deu-hd/mitteleuropa/gwl-synoptik-komposit/20190210-1200z.html

      Eine spannende Entwicklung auf jeden Fall. Inbesondere mit konvektiver Kaltfront mitunter auch fotogen 😉

      Beste Grüße,

      Oscar

       

      • Diese Antwort wurde geändert vor 5 Jahren, 9 Monaten von Snab_LE.
    • #13316
      Kaltlufttropfen
      Teilnehmer

      Moin Oscar,
      vielen Dank für Deine -wie immer- herausragende WB!
      UWE wird morgen auf jeden Fall ein zyklonaler Hochgenuß!

      Gruß in die Runde

      Michael

    • #13317
      Mammatuscloud
      Moderator

      Vielen Dank für die synoptisch hochwertige Einleitung zum Wochenende
      sowie die ausführlich Bebilderung und Modellvergleiche
      zu dem ersten klassischen Sturmtief UWE in diesem Winterhalbjahr in Mitteleuropa.

      Interessant (neben den angesprochenen Punkten) wird noch sein,
      wie stark die hochreichende Feuchtkonvektion an der KF
      morgen in der Schweiz, Süddeutschland und Frankreich wird.
      Die Modelle sind eher verhalten (Grund könnte fehlende Feuchtigkeit sein), aber mal abwarten …

      Über eine Verifikation der Ereignisse würde ich mich dann noch freuen …

      Viele Grüße
      Mammatus95

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