Startseite › Foren › Wetterturnierforum › ELENA-FABIENNE-WB am 21.09.2018
Schlagwörter: WB
- Dieses Thema hat 7 Antworten und 5 Teilnehmer, und wurde zuletzt aktualisiert vor 6 Jahren, 2 Monaten von Heiko.
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September 21, 2018 um 11:44 am Uhr #12777KaltlufttropfenTeilnehmer
Moin Leute,
ausgerechnet heute (Gott sei Dank) hat mir Georg angetragen, die WB zu halten.
Was für ein Wochenende!
Der Titel ist schon so gewählt, weil diese 2 entzückenden Damen zyklonaler Prägung unser
Wochenendwetter beherrschen. ELENA, aktuell über der Nordsee geht als die „Mörderin“
des 5 Monate währenden Rekordsommers in die meteorologische Geschichte ein.
Und FABIENNE will es uns in der Wochenwechselnacht so richtig zeigen, daß wir uns eigentlich
schon mitten im Herbst befinden und das mit Regen und Sturm, aber wo und wie stark sollte immer
noch ziemlich in den Sternen stehen und am Gehirn eines jeden Vorhersagemeteorologen sägen!Da es da so ziemlich 100 verschiedene Möglichkeiten in den Modellen gibt, möchte ich heute mal
weitgehend auf Karten verzichten, denn 100 Karten würden den Rahmen sprengen.Sicher ist wohl auch:Dieses WE gibt’s kein Kopf-an-Kopf-Rennen wie so oft in den letzten
Monaten, sondern es sollte sich ganz klar beweisen, wer das beste Händchen im ganzen
„Modelltohowubahu“ hat. Dieses WE sind also echte Synoptik-Profis gefragt! 😉Fangen wir mal an mit der aktuellen (00er) DWD-Bodenanalyse:
Wir sehen ELENA über Mittelengland mit einem etwa 985er Kerndruck (aktuell schon über der
Nordsee) mit ihrer Kaltfront an der Südflanke, welche aktuell schon den äußersten Westen
Deutschland kratzt, während präfrontal noch eine ordentliche Portion subtropischer Warmluft
nordostwärts geschaufelt wird, was zur Folge haben könnte, daß wir in Lindenberg zum 1. und einzigen Mal in diesem September (trotz der vielen 28 und 29er) die 30°C knacken könnten.
Die Kaltfont ist aber nicht faul, ebensowenig wie ihre „Erzeugerin“ ELENA“, welche bis zum Abend
mit 975er Kerndruck zur norwegischen Westküste zieht und die KF zu Deutschlands Ostgrenze.
Dabei wird es auffrischende SW- bisW- und vielleicht auch NW-Böen geben und ein schmales
Regenband. Spektakuläre Mengen, welche die Dürre beenden sind wohl eher nich drin, spektakulär
ist eher der Temperatursturz, der mit z.T. über 10K an die KF heute vor genau 3 Monaten erinnert,
an den Tag der Sommersonnenwende, der eine kurze „Schafskälte“ von 3 Tagen einleitete, welche
den starken Frühsommer vom noch stärkeren Hochsommer 2018 trennte.
Das war alles erstmal Vorgeschichte…
Am morgigen Samstag, dem 22.September liegt dann Deutschland auf der Rückseite von
ELENA in hochreichender maritimer Polarluft (T500 im Norden unter -25°C und in 850
generell unter 5°C)unter einem veritablen Druckgradienten.
Das bedeutet für Berlin und etwas abgeschwächt auch für Leipzig einen strammen Westwind
mit einem Sonne-Wolken-Mix und maximal 17 bis 19°C (wird uns schon wie VOLLHERBST
vorkommen nach der Spätsommerhitze der vergangenen Tage) mit einem gewissen
Schauerrisiko insbesondere in Berlin. Wenn`s dumm kommt, kann auch mal ein kurzes
Kaltluftgewitter mit von der Partie sein.
Über dem Ostatlantik ist bereits FABIENNE in den Kinderschuhen als Frontalwelle zu sehen.
Zwischen diesen beiden Zyklonen sollten sich der Abende und die Nacht eher antizyklonal
aufstellen und mit abflauenden Wind und Aufklaren sollten herbstgemäße einstellige
Minima in greifbare Nähe rücken (schließlich beginnt ja um 03 Uhr54 sogar der „astronomische“
Herbst).
Und nun zum Sonntag, dem 23,09.2018: Der Tag wird eine harte Nuß, die man knacken muß,
denn Prachtzyklonendame FABIENNE will sich den Modellen nicht so recht unterordnen.
Gestern waren ja die Modellunterschiede noch duetlich stärker, EZ wollte das zyklonale
Vollweib bei Egon Olsen über Jütland ziehen lasse, ICON wollte die edle FABIENNE hingegen zum
Maßkrugstemmen aufs Münchner Oktoberfest schicken…
Wie auch immer, FABIENNE ist wohl äußerst sexy und erobert alle leidenschaftlichen Synoptikerherzen und was sie genau tut, weiß noch niemand so recht.Da orientiere ich mal lieber an die MOSse und lasse den Tagundnachtgleiche-Sonntag vormittag
trocken und mache den Sonntagnachmittag naß, ob eine zweistellige Litermenge rauskommt, weiß
Gott allein, ebenso ob es harte Wind- oder gar Sturmböen bereits vor Mitternacht gibt… 😉Extrem spannender stürmisch-zyklonaler Herbstgruß in die Runde
Michael
- Dieses Thema wurde geändert vor 6 Jahren, 2 Monaten von Georg.
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September 21, 2018 um 11:48 am Uhr #12778KaltlufttropfenTeilnehmer
Ach ja, selbst die einzige Karte funzt nicht (in der WZ hatte sie das getan), aber wqas sol`s, Karten können wir uns alle selber ansehen… 😉
Zu empfehlen auch die klasse Syn Ü Kurzfrist des DWD von JENS HOFFMANN!
Ich hoffe, ich habe nicht zu viel von ihm abgeschrieben… 😉
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September 21, 2018 um 7:35 pm Uhr #12779PfingstochseTeilnehmer
Hi Micha,
vielen Dank für Deine vortreffliche WB, wenngleich es mit der Kartenoption haderte. Egal, Karten kann jeder selbst gucken. Deine textliche Beschreibung der Wetterlage am WE atmet den
Hoffmännschen Duft 🙂 In Potsdam (Telegrafenberg) zeigte Elenas Kaltfront kurz vor 17 Uhr ihr Potential: Mit enormer Wucht wurde der Sommer ausgetrieben. Die Spitzenbö betrug 28,2 m/s=
101 km/h. Das war schon enormer Stress für die noch belaubten und trockengestressten Bäume. Nach Tmax= 29,9 °C haben wir nun nur noch knapp 13 °C. Die große Überregnung war das jedoch noch nicht, aber am Sonntag und in der Nacht zum Montag sollen dann zweistellige RR- Summen in BB an der Tagesordnung sein…nach sehr langer Zeit mal wieder ein ordentlicher RR auf die ausgedörrten Böden! Die Natur wird sich freuen, obwohl…. schon fast zu spät. Aber für die Pilzsucher brechen dann bessere Zeiten an :-). Nun ist der extrem lange Sommer jäh beendet worden, brachte er doch beispielsweise in Potsdam diverse Rekordwerte. Einen Sommer mit 20,7 °C im Mittel gab es seit unserem Messbeginn in 1893 noch nie. Selbst 2003 waren es nur 20,1 °C. In Nord- und Ostdeutschland war dieser Sommer in weiten Teilen der wärmste, Gesamt- Deutschland betrachtet allerdings nur der zweitwärmste nach 2003 (weil die südlichen Bundesländer nicht so warm ausfielen, dort war es auch nicht so trocken wie hierzulande). In der Potsdamer Säkularen Klimareihe kamen wir auf 87 Sommertage (Rekord war bisher 1947 mit 71 Tagen), heiße Tage gab es 30 (zuvor Rekord auch 1947 mit 26 Tagen). Zudem war der Sommer 2018 der zweittrockenste nach 1976 und der sonnenscheinreichste obendrein! Schon der April war mit einem Monatsmittel von 13,5 °C der wärmste, ebenfalls der Mai mit 17,7 °C. Nach soooo vielen Rekorden wird es nun Zeit, dass das Wetter zur Normalität zurückfindet! Apropos „Normalität“: Bin gespannt, wieviel RR nun am Sonntag/Montag auf uns niederprasselt. Am Montag dann „Aprilwetter“, womöglich auch mit windumtosten Graupelschauern…Endlich mal wieder „Wetter“ werden die Einen sagen, schade, dass nun der Herbst Einzug hält, die Anderen. Sonntag ist kalendarischer Herbstanfang, und mit Herbstwetter müssen bzw. sollten wir uns nun abfinden. Es ist nun Zeit, sich damit anzufreunden, dass wir Sommertage erst wieder 2019 genießen dürfen! Dem diesjährigen Oktober traue ich keine Tmax von >=25 °C mehr zu. Nicht zuletzt zeitigt uns auch der Sonnenstand (etwa 38 ° zur Mittagszeit), wo wir inzwischen angekommen sind!
Allen ein schönes WE und beste Grüße aus Teltow…
Ralf
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September 21, 2018 um 9:50 pm Uhr #12780HeikoModerator
Hallo und vielen Dank an unseren Kaltlufttropfen für die tolle Wetterbesprechung und an unseren Pfingstochsen für die interessante Ergänzung!
Schon komisch, dass man sich in den letzten Wochen bei zeitweiliger Hitze, verdörrter Landschaft sowie teils vertrockneten Blättern an den Bäumen fragte (OK, manche haben auch die Motten gekriegt), was das eigentlich für eine Jahreszeit sein soll, und man heute tagsüber mehrere Jahreszeiten praktisch gleichzeitig erleben konnte. Da saßen Leute in der gefühlt über 30 Grad heißen U-Bahn in Winterklamotten, und als man auf die Straße in den Herbststurm trat, begegnete man Zeitgenossen, die vom „Outfit“ her bloß die Frage aufwarfen, wo sie Strandtuch und Surfbrett gelassen haben.
Das Wochenende ist endlich mal wieder eines, bei dem es nicht nur um Nachkommastellen geht, sondern wo selbst so manches hochgezüchtete Modell ins Stottern kommt – gut so für uns und die Spannung!
Wer gemütlich im Warmen sitzt, bekommt vielleich Appetit auf ein paar Waffeleier, die ich vor ein paar Tagen im Supermarkt gefunden habe. Wenn es mal etwas wärmer wird, lässt sich sicher eine Maibowle ansetzen.
Naja, Themen wie Schneeglöckchen und der Flug von Haselpollen können noch ein paar Monate warten.
Viele Grüße,
Heiko. -
September 23, 2018 um 2:13 pm Uhr #12782PistotnikTeilnehmer
So wenig Diskussion an einem so spannenden Wochenende?
Danke an Michael für die spannende WB, an Ralf für die interessanten Ergänzungen und an Heiko für den schönen Satz: „Da saßen Leute in der gefühlt über 30 Grad heißen U-Bahn in Winterklamotten, und als man auf die Straße in den Herbststurm trat, begegnete man Zeitgenossen, die vom „Outfit“ her bloß die Frage aufwarfen, wo sie Strandtuch und Surfbrett gelassen haben.“ – Das ist einer der angenehmen Nebeneffekte unseres Berufs, dass wir unsere Kleidung nach dem tatsächlichen Wetter und nicht nach dem Kalender richten können. 😉
In diesen Augenblicken braut sich ein Herbststurm zusammen, der in die meteorologischen Geschichtsbücher eingehen könnte. Es ist, als wäre ein winterliches Sturmtief in eine sommerliche Luftmasse hineinverpflanzt worden. An der Gewitterlinie, die sich entlang der Kaltfront derzeit zusammenbraut, rechne ich in den nächsten Stunden etwa entlang eines Streifens Mannheim – Nürnberg – Pilsen – Ostrau verbreitet mit orkanartigen Böen oder Orkanböen. Mich würden stellenweise sogar Windspitzen um 150 km/h nicht wundern (bzw. entsprechende Schäden, denn wenn genau diese Spitzen auch tatsächlich gemessen werden, wäre es doch ein recht großer und glücklicher Zufall). Ich denke, das könnte einer der heftigsten, schlimmsten oder perfektesten (je nach Sichtweise) Herbststürme werden, den wir je am Kontinent erlebt haben. Aus meiner Erinnerung fällt mir nur „Quimburga II“ im November 2004 ein, die an das heranreicht, was man auf den heutigen Vorhersagekarten sieht. (Damals gab es natürlich noch keine so feinen, konvektionsauflösenden Modelle, daher waren die Vorhersagen eine noch wesentlich größere Herausforderung als heute.)
Wunderschöne Soundings von 12 UTC:
Vor der Warmfront: Meiningen
Direkt an der Frontlinie: Idar-Oberstein (fast gesättigte Warmluft unter extremer vertikaler Windscherung – wenn sich in diesem Regime Gewitter bilden, dann kann es auch richtig starke Tornados geben!)
Tiefer im Warmsektor: Stuttgart (bodennahe Abtrockung und weitere Erwärmung infolge von Durchmischung ->besonders hohe Sturmgefahr an der Kaltfront)
Für die Südstädte wird die „Action“ leider erst nach 18 UTC kommen, sodass sich lediglich die Böen (sowohl in Innsbruck und Wien halte ich 60 kt oder mehr für denkbar, auch ohne Gewitter in Form von Westföhn), aber nicht mehr die kurzfristige Temperaturspitze in der Turnierwertung auswirken wird. Sollte der Föhn in Wien genauso gewaltig durchschlagen wie in der legendären „Kyrill“-Nacht, dann werden wir gegen Mitternacht, unmittelbar vor der Kaltfront, 30°C haben. 😉
Leipzig wird von der Warmluftzunge offenbar knapper als erwartet, aber doch verpasst. Das Erzgebirgsvorland dürfte gerade noch hineinkommen und könnte dann auch noch entsprechend schwere Gewitter abbekommen.
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September 25, 2018 um 5:06 am Uhr #12785nikTeilnehmer
Hi Georg,
vielen Dank für die Analyse!
Knapp 150 km/h wurden ja tatsächlich am Bodensee gemessen. Bei uns blieb der Sturm etwas unter den Erwartungen, die Warmfront hat wohl zu stark dazwischengefunkt, so war der Spread vor der Front in weiten Teilen Österreichs gering (der präfrontale Föhn blieb unter den Erwartungen). Die Gewitterlinie kam zudem zu strömungsparallel an: Als München betroffen war gab es die ersten Blitze bereits auch im Waldviertel.LG,
Nik -
September 25, 2018 um 11:04 am Uhr #12786PistotnikTeilnehmer
Hallo Nik!
Ja, die Warmluft im Warmsektor hat sich in Österreich doch weniger durchgesetzt als erwartet, und damit war der Sturm dann auch eher harmlos. Auch die vielen vorlaufenden (und vom Boden entkoppelten) Schauer und Gewitter, die sich durch die starke synoptische Hebung gebildet haben, haben der folgenden Linie ihre Schärfe genommen und sie zerbröseln lassen. Die einzige Orkanböe in besiedeltem Gebiet in Österreich wurde in Reichenau an der Rax gemessen. Sonst war es überall ein ganz gewöhnlicher Herbststurm.
In Deutschland gab es dort, wo sich an der Gewitterlinie bogenförmige Echos ausbildeten, einige Schneisen, in denen die Schäden auf Windspitzen zwischen 150 und 180 km/h schließen lassen, stellenweise wahrscheinlich sogar darüber. Zum Glück waren außer Aschaffenburg und Würzburg keine Städte oder gar Ballungsräume von diesen Spitzen betroffen.
Ich habe am Sonntag noch überlegt, nach Würzburg, Nürnberg oder Prag zu fahren, um diesen Gewittersturm zu erleben. Rückblickend wäre das natürlich spannender gewesen. Wir haben letztlich die „Schmalspur-Variante“ gewählt und sind auf die Leiser Berge nördlich von Wien gefahren. Die Stimmung war zunächst großartig mit dem Wetterleuchten der aus Tschechien näherkommenden Gewitterlinie und den kleinen, rundherum aufpoppenden Gewittern im Mondlicht. Die Kaltfront selber wäre eigentlich reichlich unspektakulär gewesen, wenn sie nicht einen kurzen „Heatburst“ als Höhepunkt gebracht hätte, indem von den ersten Böen noch die bizarr warme Höhenluft heruntergemischt wurde.
Die Temperaturspitze war leider zu kurz, als dass sie von der benachbarten Station am Oberleiser Berg (einem Nachbarhügel) aufgelöst hätte werden können. Ein paar andere Stationen haben aber ein ähnliches Phänomen wiedergeben können (Diagramme verfallen innerhalb einer Woche):
Buchberg (im Wienerwald, Hügel auf 467m)
Brunn am Gebirge (südlicher Stadtrand Wiens, Hanglage auf 290m)
Alle anderen Stationen im Wiener Stadtgebiet und im sonstigen Tiefland blieben unter der Inversion. Für ein Durchbrechen der richtig warmen Luft (20°C auf der Hohen Wand auf knapp 1000m Höhe, 18° auf der Rax auf 1550m Höhe am späten Abend) waren die Kaltluftseen aber um einige hundert Höhenmeter zu mächtig.
Insgesamt war das letzte Sommergewitter an der Kaltfront von „Elena“ am Freitag aber doch um einiges spannender als das erste (und wahrscheinlich einzige) Herbstgewitter bei „Fabienne“… 😉
viele Grüße,
Georg
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September 25, 2018 um 11:19 am Uhr #12787HeikoModerator
Hallo zusammen,
vielen Dank an Georg und Nik für die spannenden und eindrucksvollen Ergänzungen!
Schöne Grüße,
Heiko.
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