Wundervolle synoptische Prosa in schweren Zeiten!

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      Kaltlufttropfen
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      DAS möchte ich allen von uns, die es nicht schon gelesen haben (sollte eigentlich bei uns im WT
      Pflichtlektüre sein), nicht vorenthalten!
      Nämlich die Synoptische Übersicht Mittelfrist von „one and only“ JENS HOFFMANN! Ein synoptisch-poetischer Hochgenuß, in welchem so ziemlich
      jedes Wort auf der Zunge zergeht:

      S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
      ausgegeben am Dienstag, den 24.03.2020 um 10.30 UTC

      Endlich Frühling? – Denkste Puppe, frische Kaltluft im Anmarsch.
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      Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 31.03.2020

      Schaut man sich die derzeitige Wetterlag an (heute früh in Deutschland
      verbreitet leichter bis mäßiger, stellenweise sogar strenger Frost), könnte man
      unzweifelhaft auf den Gedanken kommen, die Natur will uns – Verzeihung! –
      verarschen. Zwar steht seit wenigen Tagen Frühling auf dem Kalender, doch die
      Atmosphäre macht einen auf Winter, als gäbe es kein Morgen mehr. Nun steht die
      Welt derzeit aus ganz anderen Gründen Kopf, warum also soll das beim
      Wetter/Witterung anders sein? Nun, seriös beantworten lässt sich diese Frage
      nicht. Einfacher hingegen lässt sich die Frage nach dem weiteren Werdegang des
      Wetters beantworten, was im Folgenden ausführlich geschehen soll. Nur so viel
      schon mal vorab, der Frühling lässt weiterhin auf sich warten. Von wegen
      „Veronika, der Lenz ist da“.

      Starten wird wie üblich am dritten Folgetag in die mittelfristige Betrachtung,
      was im heutigen Fall der kommende Freitag ist. Deutschland befindet sich am
      südlichen Rand einer Hochdruckbrücke, die das kontinentale Hoch JÜRGEN (der hat
      uns die erste „Kältewelle“ eingebrockt) über dem nahen Osteuropa mit einem sich
      mächtig aufpumpenden Hoch (KEYWAN) über dem Ostatlantik süd-südwestlich von
      Island verbindet. Während sich JÜRGEN mehr und mehr in die Weiten Russlands
      zurückzieht, schaukelt sich das atlantische Hoch im Laufe des Wochenendes zu
      einem wahren Herkules auf mit über 1050 hPa im Zentrumsbereich – Respekt!
      Bevor es soweit ist, kommt die Luft am Freitag zwar weiterhin aus Osten,
      allerdings ist sie nicht mehr so kalt und trocken wie aktuell noch. Auch
      niedertroposphärisch sorgt andauernde Subsidenz für eine Erwärmung auf positive
      850-hPa-Temperaturen bis zu 5°C, am Alpenrand sogar noch etwas darüber. Ein
      elliptisch konfiguriertes Höhentief über dem Mittelmeerraum steuert auf seiner
      Nordflanke schwache Sekundärtröge über den Vorhersageraum westwärts, was
      gebietsweise Wolken, sehr wahrscheinlich aber keine Niederschläge zur Folge hat.

      Am Wochenende kommt es in der über Nordeuropa verlaufenden Frontalzone zu einer
      Austrogung, die genau über Skandinavien abläuft. Aufgrund seiner stark positiv
      geneigten Exposition (südwest-nordost-orientierte Achse) verbleibt Deutschland
      relativ lange auf seiner Vorderseite. Erst im Laufe des Sonntags, wenn der Trog
      über Westeuropa abtropft, schwenkt das nördliche Residuum über Norddeutschland
      ostwärts. Zuvor nehmen die dynamischen Hebungsprozesse über dem Vorhersageraum
      zu, was vor allem zum Sonntag hin die Niederschlagswahrscheinlichkeit ansteigen
      lässt. Ob es dabei zu Schneefällen bis ganz unten oder nur im Bergland kommt,
      ist derzeit noch nicht abschließend zu beantworten. Fakt ist, dass der Höhentrog
      Unterstützung von einer ihm vorgeschalteten Kaltfront bekommt, die zu einem am
      Nordkap vorbeiziehenden Tief gehört. Sie arbeitet sich langsam von Nord nach Süd
      voran, wobei sie nicht nur zusehends ins Schleifen gerät, sondern auch immer
      aktiver wird. Letzteres resultiert aus der verbesserten Interaktion mit dem
      Trog, der sich peu a peu dichter an die Front heranschiebt.
      Tja, und dann ist da auch noch besagtes Hoch KEYWAN, das von einem fetten Rücken
      gestützt wird. Dick und bräsig bleibt es unweit von 20°W/55°N liegen, wo es im
      Wesentlichen nichts anderes tut, als permanent arktische Polarluft nach Süden zu
      steuern. Dieses erreicht postfrontal auch zunehmend Deutschland, was einen
      abermaligen Temperaturrückgang zur Folge hat. Bis Sonntag, 24 UTC sinkt die
      850-hPa-Temperatur auf Werte zwischen +2°C im Berchtesgadener Land (ja, ja, dort
      wehrt man sich) und -10°C unweit der Flensburger Brauerei. Immerhin ist die
      apostrophierte Kaltluft nicht so furztrocken wie die derzeit wirksame, so dass
      auch die Nachtfröste nicht so straff ausfallen.

      Zu Beginn der neuen Woche kommt die eingeflossene Kaltluft zur Ruhe. Die
      Niederschläge im Süden ziehen sich mehr und mehr an bzw. in die Alpen zurück.
      Derweil sendet KEYWAN einen ausgeprägten Keil bis nach Mitteleuropa, der
      aufgrund des zuvor erfolgten Cut-Offs von Potenzialanstieg überlagert ist.
      Absinkbedingt und auch advektiv (durch den Hochkeil muss die kalte Luftmasse
      einen größeren Bogen schlagen) erwärmt sich die Luft zumindest
      niedertroposphärisch allmählich auf T850 zwischen 0°C in Südbaden und bis zu
      -6°C an der Oder (Dienstag, 24 UTC)

      Im weiteren Verlauf der Woche deutet sich eine weitere Austrogung von Norden her
      an. Warm geht anders…
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      Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

      Auch wenn IFS (ECMF) derzeit im Fach „Modellkonsistenz“ vielleicht kein
      Einserschüler ist, so sind die großräumigen Muster der meteorologischen
      Basisfelder ausreichend ähnlich, um unter dem Strich einen belastbaren
      Grundtenor zu extrahieren. Demnach steht uns mit großer Wahrscheinlichkeit –
      nach einer vorübergehend etwas milderen Phase mit entsprechender
      Nachtfrostabschwächung – im Laufe des Wochenendes respektive zu Beginn der neuen
      Woche ein neuerlicher Kaltlufteinbruch bevor. Wie dieser en detail ablaufen
      wird, ist zwar noch nicht notariell verbrieft, es deutet sich aber ein zyklonal
      geprägtes Szenario mit zeitweiligen Niederschlägen (unten Regen/Schnee?, oben
      Schnee, wobei eine Bezifferung der „Oben-Unten-Grenze“ noch aussteht) an.
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      Vergleich mit anderen globalen Modellen

      Die o.e. Grundstrukturen mit dem kräftigen Hoch über dem Ostatlantik und der
      Austrogung von Norden her haben auch die anderen der an dieser Stelle für
      gewöhnlich inspizierten Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) im Programm.
      Insbesondere hinsichtlich des Höhentrogs zeigt sich die Numerik derzeit aber
      noch recht fantasievoll. So wird der beschriebene Abtropfprozess lediglich von
      GFS mitgespielt, allerdings verzögert ein sich über Nordostdeutschland
      intensivierendes Bodentief die Zufuhr der frischen Kaltluft etwas. ICON, GEM und
      UKMO verzichten auf einen vorzeitigen Cut-Off bzw. simulieren einen solchen
      später und auch woanders (weiter südlich). Letztlich haben die unterschiedlichen
      Simulationen vor allem einen Einfluss auf die genaue Niederschlagsentwicklung
      (zeit-räumlich, Schneefallgrenze, Intensität). So favorisiert IFS am Sonntag die
      südlichen, GFS die nördlichen und ICON die östlichen Landesteile.

      FAZIT: Aus deterministischer Sicht ist ein neuerlicher Kaltluftausbruch
      wahrscheinlich, der Weg dorthin aber recht konjunktivlastig.
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      Bewertung der Ensemblevorhersagen

      Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte stützen bis Montag das
      Szenario des Hauptlaufs. Dass die Streuung am Wochenende trotzdem etwas zunimmt,
      ist der unscharfen Trog- bzw. Kaltfrontpassage geschuldet. Nach unten zeigen
      aber alle Lösungen (T850). In der nächsten Woche divergieren die Kurven etwas
      stärker als zuvor. Dabei fällt auf, dass die vom Haupt- und Kontrolllauf
      vorgesehene Wetterberuhigung mit niedertroposphärischer Erwärmung nur bedingt
      unterstützt wird. Mehrheitlich setzen die Ensembles auf kühles und wechselhaftes
      Wetter mit niedrigem Geopotenzial.
      Diese Aussage spiegelt sich auch in der Clusterung für den Zeitraum T+120…168h
      (Sonntag bis Dienstag) wider. Zwar sind HL und KL Cluster 1 (18 Fälle,
      kräftigender Hochkeil) zugeordnet, die zwei verbleibenden Cluster (17 und 16 =
      33 Fälle) setzen hingegen auf eine Troglage. In der erweiterten Mittelfrist ab
      Mittwoch (T+192…240h) erhöht sich die Anzahl der Cluster auf sechs, wobei die
      Palette potenzieller Großwetterlagen solide ausgereizt wird. Troglagen
      verschiedener Konfiguration sind ebenso am Start wie antizyklonale Lösungen der
      Marke „atlantischer Keil“ oder „Brücke“. Oder mit anderen Worten, „who know´s?“

      FAZIT: Die neue Kaltluft ist unstrittig, Timing und Auswirkungen schon noch. In
      der nächsten Woche deutet sich eher wechselhaftes Wetter statt Beruhigung an.

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      Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

      In puncto markantes Wetter ist mittelfristig nicht allzu viel zu holen. Für
      überdurchschnittlichen Wind ab Stärke 8 Bft aufwärts ist die Signaldichte
      ziemlich dünn. Interessanter ist da schon die Frage nach dem Niederschlag. Zwar
      fischen wir auch da noch ziemlich im Trüben, aber es kann nicht ausgeschlossen
      werden, dass sich die feste Phase irgendwo auch mal ganz unten zeigt.
      Hinsichtlich Nachtfrost lässt sich konstatieren, dass dieser wohl nicht so stark
      ausfällt wie aktuell (feuchtere Luft, mehr Bewölkung).
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      Basis für Mittelfristvorhersage
      MOS-Mix mit IFS-Mix, nächste Woche tendenziell eher IFS-EPS.
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      VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann

      Einfach großartig, Jens Hoffmann for President!

      Gruß in die Runde

      Michael

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