Startseite › Foren › Wetterturnierforum › Unterhitze-WB zum Siebenschläfer vom 26. bis 28. Juni
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Juni 26, 2020 um 12:55 pm Uhr #15325BibertalerModerator
Servus zusammen,
Extreme Hitzewelle rollt auf Deutschland zu, Brutale Hitzewelle erwartet – zuvor kommt es jedoch zu starken Gewittern… Ich weiß ja nicht, wie ihr es sieht, aber beim Durchlesen dessen, was im Gesichtsbuch in der Gruppe der Hartholzwetterfrösche zu lesen ist, stellt sich mir eine, leicht kindliche Frage: Ja wo isch se denn? Ja wooo isch se denn jetzt? … Daaaaa isch se jedenfalls nicht. Beziehungsweise, wenn das die neuen Hitzewellen in Zeiten des Klimawandels werden, dann ist das zumindest in dieser Hinsicht eine minimale Beruhigung. Nichtsdestotrotz, solche Meldungen sind nicht gerade das, was unser geliebtes Wetter verdient hat und schadet im Endeffekt allen, die ernsthafte Prognosen abgeben. Daher widmen wir uns dem seriösen Teil – Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag. Also, holt die Stifte heraus, wir nehmen einfach den Bericht für Samstag und verwenden den dann die nächsten beinahe zwei Monate. Einziger Nachteil an dieser frisch gewonnenen Freizeit ist, dass Urlaub gerade mehr als schwierig ist. Da ist es fast schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass Österreich nun eine Reisewarnung für Teile Deutschlands ausruft, in denen noch weiterhin um künftige Urlauber geworben wird. Aber was will man auch anderes machen. Auch wenn wir es uns vermeintlich leichter machen können, heuer ist und bleibt anstrengend, zweifellos, und es kann sich jederzeit alles grundlegend ändern. Schon die alten Bauern wussten schon, Menschensinn und Juniwind ändern sich oft sehr geschwind. Und ob sich letzteres in den kommenden Tagen des ausgehenden Junis bewahrheitet, sehen wir uns jetzt an – ganz ohne Hitzewelle, Extremszenario und Glaskugelblick. In diesem Sinne herzlich Willkommen zur heurigen Siebenschläfer-WB
Gestriger Donnerstag 15UTC ECMWF Geopotentielle Höhe 300 hPa (hellblau), Bodendruck mit Tief- und Hoch-Markierungen (schwarz), Satellitenbild mit Radarreflektivität (Quelle: Eumetrain.org)Großwetterlage
Zum Start in das für manche Medien wichtigste Sommerwochenende – wen kümmert schon, dass da eine Kalenderreform dazwischen lag – liegen wir auf der Kante zwischen dem östlich von uns gelegenen Hoch Utz mit Zentrum über Weißrussland und einer Art Frontenkaskade westlich von uns bis weit in den Atlantik hinein. Die erste dieser Kaskaden ist eine Luftmassengrenze, die vom Niederrhein kommend, über Frankfurt und der Dreiflüssestadt Passau bis ins Weinviertel reicht und dabei warme, ziemlich labile Luft von weniger warmer und meist noch stabiler abtrennt. Eine Kaskade weiter wartet die Kaltfront von Tief Sylvia auf uns. Das Tief an sich liegt über dem Norden der britischen Inseln, die Kaltfront reicht aber bis Nordostspanien, wo sie auch schon wieder leicht warmaktiv zu werden scheint. Und es gäbe da noch zwei weitere Stufen in unserer Frontentreppe, die im weiteren Verlauf quasi auflaufen und als eine Front für Sonntag direkt hinter Sylvia folgen. Des Weiteren darf man nicht unseren Kaltlufttropfen vergessen, der am gestrigen Donnerstag noch Einfluss von der Oberpfalz bis in die Steiermark hatte und bereits gestern für Gewitter in Mecklenburg-Vorpommern sorgte. Auch heute ist die Gewitteraktivität im Osten gut genug, um vor allem die Berliner von ihren Tipps abzulenken. Außerdem hielt der Tropfen die Temperaturen zwischen Ostalpen und den östlichen Mittelgebirgen deutlich zurück. Dagegen wurde im Westen, besonders am Rhein gestern verbreitet ein Hitzetag gemeldet, was auch heute nochmals der Fall sein wird bzw. eigentlich schon ist.
Bodendruck mit Frontenvorhersage für Samstag 12 UTC (Quelle: wetterpate.de, FUBerlin, DWD)Wochenendwetter
Was macht nun unser – also nicht unser, ihr wisst schon, wie ich es meine – Kaltlufttropfen gerade? Zum Start in die Nacht auf Samstag liegt dieser knapp östlich vom Dreiländereck Tschechien, Polen und Deutschland und verabschiedet sich bis in den Sonntag hinein in Richtung Baltikum. Die daraus generierten Gewitter lassen in der Nacht allmählich nach. Höchstens rund um Rügen können am Morgen noch Reste aktiv sein. Sonst bleibt es anschließend in Ostdeutschland mit leichtem Zwischenkeileinfluss freundlich, wenn auch nicht wirklich stabil. Für ein paar Quellwolken sollte es schon reichen. Im Süden in der labilen, energiereichen Luft beginnt es recht schnell zu brodeln, zuerst bevorzugt an den Bergen, etwas später auch im Flachland. Zusätzliche Hebung durch Sylvias Kaltfront wäre für weitere Auslöse von Schauern und Gewittern nicht schlecht, allerdings lässt sie im Süden mit eher negativer Vorticityadvektion doch zu wünschen übrig und verhungert etwas. Erst die nachfolgende Front bringt den entsprechenden Schwung mit. Bis dahin wird es vor allem an der Orographie liegen. Für Innsbruck ist der Nachmittags-9er wie gesetzt, für Zürich und erst recht Wien steht ein überwiegend freundlicher Tag bevor. Sollte sich noch etwas im Wiener Wald bilden können, kann dieses mit eher westlichem Wind in der Höhe vielleicht die Donau erreichen. Die MOSe sind jedoch meist dagegen. Am Boden bleibt es hier übrigens bei Südost. Im Tagesverlauf verlagert sich auch die Luftmassengrenze vom Südwesten bis in den Osten weiter, an der sich einige Gewitter entladen werden, die bis 18 UTC auch Berlin und Leipzig erreichen können. Je nach Modell wird es aber auch zeitlich eng, bzw. die Schwerpunkte sind etwas von unseren Städten entfernt, es darf also munter getippt werden, was wir in den kommenden sieben Wochen sehen möchten. Sicher für den Samstag ist, dass es meist ein Hitzetag werden wird. Berlin, Leipzig und Wien sind gebucht, in Innsbruck werden wir wohl der Uni noch ein bisschen einheizen müssen und am kühlsten ist Zürich mit 29 Grad.
GFS Geopotential mit Isotachen auf 300 hPa (Quelle: ertel2.uibk.ac.at ACINN)An Sonntag steht uns dann der wohl letzte Juniwind ins Haus. Sylvias Kaltfront und die zweite Kaskade – wir erinnern uns, am Freitag waren hinter Sylvia noch zwei weitere Fronten – bringen von Westen her kühle Luft voran, inkludiert sind dabei weitere Gewitter, die stellenweise auch unwetterartig ausfallen können, das Spiel kennen wir ja bereits vom Vortag. Nach freundlichem Start in Ostdeutschland kommen bis Mittag die ersten Schauer und Gewitter an, ob vor oder nach 12UTC, da sind sich die Modelle nicht einig. Mit früherem Eintreffen der Zellen ist auch eine erneute Erwärmung bei 27 bis 28 Grad gedeckelt. Im Süden beginnt es wie schon am Vortag mit Quellwolken, die sich im Tagesverlauf weiterentwickeln. Der Vormittag wird daher überwiegend trocken verlaufen, ehe am Nachmittag die Schauer und Gewitter durchziehen. Auch hier ist Innsbruck wieder gesetzt, auch Zürich sieht jetzt mit Frontunterstützung besser. In Wien muss man sich noch bis in den Montag hinein gedulden. Wenn es nach ICON-EU geht, fließt der erste Teil noch in unsere Regenmenge ein, bei anderen Modellen ist es dann schon nach 6 UTC, was man am Spread der MOSe gut erkennen kann. Fest steht, der Großteil des zu erwartenden Niederschlages kommt leider ein paar Stunden, bzw. eigentlich einen Tag zu spät. Als Ausgleich gibt es nochmal einen Hitzetag zu vermelden. Zürich erreicht mit einigen Wolken und baldigem Niederschlag maximal um 26 Grad, Innsbruck nahezu unverändert zum Vortag. Ein weiterer interessanter Punkt dieses Wochenende wird sein, was sich in der Nacht auf Montag am Alpennordrand aufhält. Von der Schweiz bis nach Oberösterreich und im östlichen Alpenvorland werden teils ergiebige Mengen in Zusammenhang mit der Front berechnet. Aber um es hier kurz zu halten, das betrifft allerhöchstens noch die Regenmenge in Innsbruck am Rande.
GEFS für Berlin (links) und Innsbruck (rechts) vom gestrigen Lauf (Quelle: meteociel.fr)
Ausblick
Zumindest hier kurz und knapp – es bleibt 7 Wochen so wie am Samstag…Spaß beiseite, die Ensembles deuten uns in der kommenden Woche wenig Hochdruckwetter an. Vielmehr sorgt wohl die sich am Wochenende einstellende Südwestlage dank eines weitläufigen Tiefdrucksystems über dem Europäischen Nordmeer für weiterhin labile Luftmassen. Während es in Berlin und Leipzig nach Frontendurchgang zu zeitweiser Abkühlung kommt, pendelt sich die Temperatur auf Werte im warmen bis leicht sommerlichen Bereich ein; immer mal wieder unterbrochen von kurzen Störungen. Im Süden bleibt die Luftmasse weiterhin sommerlich warm, wer möchte, kann eine minimale Abkühlung erahnen, aber nichts Dramatisches. Das Dramatische zeigt sich bei Niederschlag. Labile Luftmassen neigen vor allem nachmittags zu Schauern und Gewittern und genau das kann man auch ins Ensemble für Innsbruck beispielhaft für den ganzen Alpenraum interpretieren. Die dazu berechneten Mengen sind jedoch eine beachtliche Hausnummer. Sollten diese so eintreffen, würde es mich nicht wundern, wenn die ein oder andere Mure in den Bergen abgehe, so wie es vor kurzem im Ötztal passiert ist. Der dortige Hang ist schließlich immer noch in Bewegung, weswegen das Tal südwärts aktuell auf dem Landweg von der Außenwelt abgeschnitten ist. Jedenfalls lohnt sich besonders zum Monatswechsel ein Blick abseits der alltäglichen Statistikmeldungen in Richtung Alpenraum.Und mal sehen, was daraus mittelfristig wird. Stellt sich die Wetterlage wieder fest, regeneriert sich das Azorenhoch wieder, wann wird’s mal wieder richtig Sommer? Relativ zum Wetterniveau des Jahres 1975, in dem Rudi Carell das gefordert hat, wäre es doch mal schön, wenn man Ende August sagen kann: Heuer!!! … und dann wäre ich gespannt, welches Extremszenario dann herhalten muss, um durchs Dorf gezogen zu werden. 2020 hatte ja schon eines zu bieten und ich bin mir sicher, da kommt noch mehr. Doch bis dahin, gebt euer Bestes, der Siebenschläfer wartet auf eure Tipps, viel Spaß beim Knobeln und ein schönes und vor allem gesundes Wochenende euch allen.
Viele Grüße aus dem um einige weitere Freiheiten gelockertem Inntal
Bibertaler -
Juni 26, 2020 um 2:07 pm Uhr #15326KaltlufttropfenTeilnehmer
Vielen Dank für die großartige WB!!!
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Juni 26, 2020 um 3:28 pm Uhr #15327MammatuscloudModerator
Danke für die klasse WB. War sehr schön zu lesen.
In Berlin habe ich mich mal gegen die 9 entschieden, da die Dynamik doch deutlich nördlich von Berlin bleibt.
In Wien lange mit der 9 gehadert und schlussendlich dagegen entschieden. Mal schauen was passiert…
@Shapiro hat mir kurz nach Abgabe geschrieben, dass er vesehentlich zwei mal die 0 bei der Windgeschwindigkeit am sonntag in Leipzig eingetragen hat. Da es ein mehr als offensichtlicher Fehler ist, hab ich es auf 8 und 10 (wurde so von ihm gewünscht) geändert.Gruß Mammatus95
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Juni 26, 2020 um 5:16 pm Uhr #15328maturz95Teilnehmer
Hallo Zusammen,
Echt super WB, die du da geschrieben hast Bibertaler!
Mir ist eben aufgefallen, dass ich in Berlin die Druckwerte von Samstag und Sonntag vertauscht habe. Sollte, dass noch geändert werden können, wäre super, ist aber auch kein Weltuntergang, wenn nicht. Hatte heute wenig Zeit und hab meine Tipps wohl zu hastig eingetragen.
Schönes Wochenende an alle!
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Juni 26, 2020 um 9:33 pm Uhr #15330MammatuscloudModerator
Sowas kann mal passieren. Die Werte wurden ja vor 17 Uhr abgegeben und sind offensichtlich vertauscht,somit steht einer Richtigstellung nichts im Wege.
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Juni 26, 2020 um 6:42 pm Uhr #15329AchentalerTeilnehmer
Tolle Wetterbesrechung, danke für die Entscheidungshilfen!
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Juni 27, 2020 um 9:42 am Uhr #15331KaltlufttropfenTeilnehmer
Ach ja, das mit Rudi Carell -Gott habe ihn selig- war glaube ich 1973. Der Sommer 1973 war aber auvh nicht so ganz schlecht… 😉
Gruß in den Tag der 7 Schläfer
Michael
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Juni 27, 2020 um 9:51 pm Uhr #15332PfingstochseTeilnehmer
Hallo KLT,
das war echt 1975!!!
Rudi Carrell – Wann wird’s mal wieder richtig Sommer 1975
Der Sommer 1976 brachte dann Hitze und große Trockenheit, u.a. die großflächigen Brände in der Lüneburger Heide. 1973 war ein nomaler mitteleuropäischer Sommer, wie wir ihn wohl in den nächsten Wochen erleben dürfen. Viele Jüngere werden sagen: Das ist doch kein Sommerwetter, aber die älteren Jahrgänge erlebten desöfteren schon wechselhafte und nur mäßig-warme Sommer-Wochen, mal nur 20 °C, manchmal bis knapp an die 30°C und desöfteren Regenduschen für die gebeutelte Natur 🙂
Also Rudi Carrell sang 1975…wann wird’s mal wieder richtig Sommer 🙂
Gruß in die Runde….Ralf aus Teltow
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Juni 29, 2020 um 11:07 am Uhr #15336ClemulonimbusTeilnehmer
Hallo Ihr Lieben,
Ich habe mal eine ganz allgemeine Frage die Verifikation der Prognosen betreffend. Laut der Verifikation von Wien-Schwechat (und Ogimet) gab es ja zwischen Sonntag 06 UTC und Montag 06 UTC 12 mm Niederschlag. Ich habe diesen Wert heute Morgen zufällig mit jenem von der offiziellen ZAMG-Homepage verglichen (natürlich wieder mit Wien-Schwechat), mit dem Ergebnis, das dort nur von knapp unter 7 mm die Rede ist. Für den Ausgang des Turnierwochenendes ist es denke ich sowieso unerheblich, trotzdem verstehe ich diese Diskrepanz nicht wirklich.
Weiß jemand woher dieser Unterschied kommt, bzw. welcher dieser Werte nun stimmt? Es ist immerhin kein zu vernachlässigender Faktor, sondern fast das Doppelte.
Alles Liebe aus dem Wienerwald,
Clemens
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Juni 29, 2020 um 11:36 am Uhr #15337BibertalerModerator
Danke Clemens, das sieht wirklich nicht normal aus. Auch der Niederschlag am 26.Juni sollte in Spitze 13 mm sein und da sind’s nur knapp über 8mm. Am Innsbrucker LOWI hat es normalerweise auch in der 12h-Summe etwas mehr, als wenn man die Einzelstunden aufsummiert, aber gerundet kommt man schon in etwa hin. Würde mich auch freuen, wenn unsere Wiener da etwas Licht ins Dunkel bringen können.
Viele Grüße
Bibertaler -
Juni 29, 2020 um 6:23 pm Uhr #15338nikTeilnehmer
Hi,
es ist nicht das erste Mal, dass die Regenmenge im Schwechater-Synop auffällig hoch ist. Bei der Zamg werden Daten einer Tawes angezeigt, für den Synop werden aber vermutlich die Daten einer anderen Station verwendet. Ob diese woanders steht oder ob ein unterschiedliches Messverfahren verwendet wird, kann ich leider auch nicht sagen…
LG,
Nik
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Juli 1, 2020 um 12:42 pm Uhr #15340ClemulonimbusTeilnehmer
Bin mir jetzt nicht sicher ob meine Antwort gerade eben gesendet wurde, tippe einfach sinngemäß nochmal identes 🙂
Danke für die zumindest teilweise Klärung der Frage. Ohne wen von der ZAMG werden wir das wohl nicht zur Gänze klären können. Stelle mir so einen Umstand aber auch bei der Analyse der VERA ziemlich ungut vor, wenn 2 so unterschiedliche Messwerte vom eigentlich selben Ort auftauchen.
Naja, bis übermorgen, dann ist ja schon wieder Freitag 😉
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