Meteorologen haben mit viel Häme und Spott zu kämpfen. Ihre gute Laune erhalten sie sich in einem wöchentlichen Wettstreit unter Kollegen
Der Meteorologe ist – im Prinzip – ein armes Schwein. Da studiert er jahrelang Synoptik, verbringt Stunden mit theoretischer Klimatologie und betreibt troposphärische Grundlagenforschung, bis er das Satellitenbild besser kennt als sein eigenes im Spiegel. Und dann erntet er nichts als Undank und Hohn. Die Vorhersagen seien so schwammig wie Zeitungshoroskope, heißt es. Der Wettermensch kündige noch Sonnenschein an, während es vor seinem eigenen Fenster schon wie aus Eimern schütte. Und überhaupt hätten Lottospieler eine höhere Trefferquote.
Der Meteorologe ist also ein armes Schwein und will es allen zeigen. Erstens, dass er gut ist. Zweitens, dass er besser ist. Besser als all die anderen armen Schweine. Dem Menschen eigen ist sein Drang nach Wettbewerb. Also stellt er sich neben die anderen und schaut, wer genauer trifft.
Die Zielscheiben werden jede Woche von drei Universitäten gehalten: Studenten der beiden Hauptstadt-Unis veranstalten das Wetterturnier Berlin/Wien, für das je zehn Wetterparameter wie Temperatur, Niederschlag oder Windrichtung vorausgesagt werden müssen. Der European Weather Forecasting Challenge (EWC) an der Uni München verlangt jede Woche nur drei Werte, diese allerdings für je acht europäische Städte zwischen Korsika und Schweden. Städte, die geografisch zum Teil ich sag mal: bescheiden liegen, findet der Berliner Meteorologe Thomas Globig.
Freitags um 16 Uhr ist Globig regelmäßig im Stress: Er muss den Zuschauern vom SFB das Wetter erklären und gleichzeitig seine Wertungen für das Berliner und das Münchner Turnier errechnet haben. Globig ist sozusagen ein meteorologischer Turniertänzer. Jeden Freitag mailt er – Punkt 16 Uhr – seine Turnierprognosen an die Organisatoren: Da ist das Knowhow des Meteorologen gefragt.
Der professionelle Synoptiker, wie der Vorhersageexperte offiziell heißt, arbeitet mit Computermodellen, Langzeitwerten und zehn Prozent Bauch. Der Bauch von Thomas Globig nimmt derzeit beim Berliner Turnier unter 130 Teilnehmern Rang neun ein, bei dem EWC ist er 7. von 16 Mitspielern. Wenn der Berliner vom kleinen Wahnsinn spricht, der uns alle umtreibt, meint er sich und seine vier Kollegen bei Meteomedia Deutschland, die alle unter Pseudonymen wie Daisy oder Dummschwätzer am Berliner Turnier teilnehmen.
Jedes Wochenende ist das Zittern ausgerufen, sagt Globig. Schließlich könne man das, was der Computer als Grundlage ausspuckt, in unzähligen Varianten korrigieren, da seien die Spielräume riesig. Riesig! Man drückt mit zitterndem Finger auf die Taste Abschicken. Das kostet mich immer Monate meines Lebens.
Am anderen Ende Deutschlands und der Professionalitätsskala sitzt Sven Piwon.
Während der Berliner Globig die Herbstwertung des Wetterturniers gewonnen hat, gibt sich der Freiburger Piwon mit Wochensiegen zufrieden. Immerhin vier sind ihm bereits gelungen, trotz starken Wettbewerbsnachteils in den Bereichen Technik und Ausbildung. Piwon war Wetterbeobachter, seit zehn Jahren ist er Verwaltungsbeamter. Ein bissle wetterverrückt muss man schon sein, sagt er. Im Hochsommer bei 30 Grad im Schatten zwei Stunden vor der Kiste zu sitzen und irgendwo in Berlin ein Gewitter zu suchen, hält er für eine ausreichende Bestätigung.
Piwon findet Hochdruckphasen langweilig und ist froh, wenn mit einem Tiefdruckgebiet wieder Action in die Atmosphäre kommt. Seine Ausgangsdaten holt er sich von der Homepage des Wetterturniers. Dort werden Amateuren nicht nur die Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes zur Verfügung gestellt.
Ich bin mit dem Taupunkt nicht zurechtgekommen, erzählt Piwon, da hat mir Jan Hoffmann die Formel geschickt. Hoffmann ist einer von drei Organisatoren des Berliner Turniers, das vor zwei Jahren mit rund 30 Teilnehmern pro Woche gestartet wurde.
Die Meteorologen sind besser als ihr Ruf, behauptet Michael Sachweh, was wenig überrascht, weil er selbst einer ist. Mit seinem Kollegen Paul James veranstaltet der Professor an der Universität München bereits seit über vier Jahren der EWC, eine Art Champions League der Meteorologen. Für acht Städte müssen freitags Mindest- und Maximaltemperaturen sowie die Niederschlagsmenge des bevorstehenden Wochenendes prognostiziert werden. Montag früh um sieben Uhr liefern die Messstationen dann immer die Wirklichkeit nach.
Eine absolut transparente Vergleichsmöglichkeit, sagt Paul James.
Manipulation ist ausgeschlossen. Zu Beginn, im November 1997, seien die großen Meteorologenbüros entsprechend zaghaft, sich der Konkurrenz zu stellen. Bei uns macht nur mit, wer es wirklich kann, sagt Sachweh.
Absolute Vergleichsmöglichkeiten bergen eben auch absolute Niederlagemöglichkeiten. Doch die Trefferquote liegt bei 90 bis 95 Prozent.
Die Prognoseturniere bringen nicht nur Spiel, Spaß, Spannung, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse. Meteomedia, die Firma des Schweizer Vorhersage-Entstaubers Jörg Kachelmann, nützt die EWC, um die Vorhersagetechniken in allen Kombinationen abzutesten: Computer allein, Computer plus statistische Langzeitwerte, Computer plus Statistik plus aktuelle Messwerte – und dann noch das Ganze mit einem Menschen dahinter. Es ist zwar eine Binsenweisheit, sagt Kachelmann, aber je mehr man mixt, desto bessere Ergebnisse erhält man. Jedes Computermodell hat Fehler, die ein anderes wieder aufhebt.
Der Computer hat einen entscheidenden Nachteil: Ihm fehlt die Wetterverrücktheit. Der Computer wird nie ins Internet-Forum des Berliner Turniers Sätze schreiben wie Wow, was für ’ne Subsidenz! oder Christoph, gib nicht auf! Du kannst doch gar nicht ohne Synoptik leben! Und der Computer wird nie wie Thomas Globig beten, dass das Gewitter, das Sie vorhergesagt haben, auch wirklich eine der beiden Messstationen trifft.
Der Computer wird auch nie pokern: Im Winter 2000 näherte sich an einem Samstagabend ein Schneefallgebiet aus dem Westen, erzählt Jan Hoffmann. Die Hälfte der Teilnehmer hatte auf Niederschlag getippt, die andere nicht. Bis 18 Uhr musste der Schnee Berlin erreichen.
Innerhalb von zwei Stunden liefen 200 Diskussionsbeiträge im Forum ein, darunter Meldungen wie Hier in Zehlendorf schneit es schon! oder Wenn das eine Null beim Niederschlag wird, steige ich aus dem Turnier aus! Und Petrus war salomonisch gerecht: Es schneite an einer der beiden Messstationen – alle Teilnehmer bekamen ihre Punkte.
Und da sage noch einer, das Wetter sei langweilig.